Historical Collection Band 5
wurde noch immer von denselben beiden Gespenstern gejagt: Schuldgefühl und Begierde. Nachdem sie sich vier Tage lang verausgabt hatte, fand sie schließlich wieder einigermaßen Ruhe und beschloss nach draußen zu gehen. Sie wollte so lange spazieren gehen, bis ihr Kopf wieder klar war.
Sie zog ihre eigenen Sachen an: einfache Unterwäsche aus weißem Leinen, schlichte Strümpfe aus Wolle, ein Kleid aus hellgrünem Musselin, das sie selbst geschneidert hatte. Es hatte lange, eng anliegende Ärmel und war hochgeschlossen. Ihre Sittsamkeit wurde noch durch ein Schultertuch unterstrichen. Die Taille des Kleides saß unmodern hoch, der Saum reichte unmodern weit herunter, ihre braunen Stiefel waren unmodern fest. Aber sie dachte keinen Augenblick daran, sich für ihren Spaziergang eines von Annalisas seidenen Ausgehkleidern auszuborgen. Sie fühlte auch nicht das Verlangen, ihre Landpomeranzenerscheinung durch Annalisas Hüte, Handschuhe oder Mäntel aufzupolieren. Stattdessen legte sich Constance ihr Lieblingsschultertuch um, zog den leichten Schleier ihres Strohhuts über das Gesicht, zog die Tür des Hauses in der Half Moon Street hinter sich zu und wandte sich in Richtung Hyde Park.
Obwohl es noch früh am Tag war, waren die Straßen schon sehr belebt. Ein Milchwagen polterte über das Kopfsteinpflaster; die Kannen darauf klapperten laut. Bedienstete, die schützende Lederschürzen über der Livree trugen, fegten die Treppenaufgänge, polierten das Messing der Türgriffe und reinigten Stiefelkratzer.
Im Park angekommen, ging sie ziellos und tief in Gedanken die schön angelegten Pfade entlang. Die Erinnerung an sich selbst in hemmungsloser Umarmung und schreiend vor Vergnügen mit einem völlig fremden Mann ließ sie unter ihrem Schleier erröten. Wie konnte sie so etwas nur tun? Und dennoch hatte sie es getan. Und es hatte keinen Sinn, es vor sich selbst zu leugnen: Sie hatte es genossen! Das war vielleicht das Schlimmste daran.
Constance setzte sich auf eine Bank im Schatten eines Baumes und schaute stirnrunzelnd zur Serpentine herüber. Natürlich hatte der schwelgerische Luxus in Annalisas Haus, die sinnlichen farbenfrohen Stoffe, die beinahe greifbare Gegenwart von La Perla selbst, eine gewisse erotische Atmosphäre geschaffen. Ihre Gedanken über Annalisas Leben hatten außerdem ein bestimmtes Bedürfnis entfacht. Doch sie hätte sich niemals so verhalten, wie sie es getan hatte, wenn ein anderer Mann vor der Tür gestanden hätte. Es ging vor allem um diesen bestimmten Mann.
Troy. Irgendetwas an ihm zog sie an und ließ sie ihre natürliche Zurückhaltung aufgeben. Irgendetwas an ihm ließ sie vor Aufregung zittern und leichtsinnig werden. So seltsam es auch klang, sie wusste genau, dass nur er es war, der eine solche Reaktion bei ihr hervorrufen konnte.
Troy. Troy wer? Troy was? Diplomat, hatte er gesagt. Nicht die Sorte Mann, der seine Zeit normalerweise mit Kurtisanen verbrachte. Das war offensichtlich. Und doch war er in das Haus in der Half Moon Street gekommen, um genau das zu tun, und hatte außerdem eine enorme Summe dafür geboten. War auch er ein Opfer dieser unglaublichen, nahezu fassbaren knisternden Verbindung zwischen ihnen?
Mit einem hilflosen Seufzer erhob sie sich von der Bank und ging zurück durch den Park. Sie würde ihn nie wiedersehen. Am besten wäre es, wenn sie keinen Gedanken mehr an ihn verschwendete und mit dem fortfuhr, weshalb sie nach London gekommen war: Annalisas Haus zu verkaufen und ihren Nachlass in Ordnung zu bringen. Sie verließ den Park und ging in Richtung Piccadilly, um einige Einkäufe zu erledigen. Als sie damit fertig war, hatte sie Kopfschmerzen und schmerzende Füße. Mit gesenktem Kopf, ganz und gar damit beschäftigt, Annalisas Haus zu erreichen, übersah sie den Mann, der auf ihrer Türschwelle stand – bis sie mit ihm zusammenstieß.
Er hatte rabenschwarzes Haar, ein bisschen zu lang, um modisch zu sein. Seine Augenbrauen waren schwarz. Seine Wimpern wie Kohle. Die sorgsam drapierte schneeweiße Halsbinde ließ seine Haut noch brauner wirken und sein Kinn noch energischer. Der enge Schnitt seiner blauen Jacke betonte seine breiten Schultern. Seine ledernen Reithosen saßen gut an seinen langen muskulösen Beinen. Seine kurzen spitzen Stiefel schienen aus Kalbsleder zu sein.
Constances Herz machte einen Sprung, als sie ihn erkannte. Ihre erste Reaktion war reine Freude darüber, ihn wiederzusehen. „Troy!“
Er legte seine Hände auf ihre
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