Historical Exclusiv 45
große Neigung zu Tieren, und da er zum ersten Mal in den Ställen sprach …“
„Yves, das ist eine wunderbare Idee!“
„Es ist nur ein Gedanke“, entgegnete er mit einem Lächeln. „Als ich ein Kind war, spielte ich in Sayernes Stallungen mit den Wolfshunden. Als ich die Welpen dort sah, erinnerte ich mich an diese Zeit.“ Sein Blick war nüchtern, und sie wusste, dass nicht alle Erinnerungen an diese Tage gut waren. Sie hob die Hand und berührte zögernd seine Wange, es überraschte sie, dass er nicht zurückschreckte. „Liegen da Eure guten Erinnerungen?“, fragte sie leise.
Er nickte, seine Lippen verzogen sich zu einem traurigen Lächeln, ehe er einen Kuss in ihre Handfläche drückte. „Dort hielt ich mich verborgen. Immer dann, wenn mein Vater wütend war und ich Gelegenheit hatte, seinem Zorn zu entkommen.“ Um sich zu beruhigen, atmete er tief ein und zwang sich zu einem Lächeln. „Der Stallmeister und seine Frau waren gut zu mir.“
Für eine ganze Weile sahen sie einander an, und Gabrielle war wieder einmal überrascht, wie viel dieser starke Mann von seiner verletzlichen Seite offenbarte.
„So wie auch Ihr gut zu meinem Sohn seid“, wisperte sie. Eine heimliche Träne glitzerte in seinen Wimpern. Unwillkürlich richtete sie sich zu ihm auf und berührte mit ihren Lippen seinen Mund.
Es mochte ihr Wunsch gewesen sein, ihm nur einen züchtigen Kuss zu geben, doch war diese Absicht sehr schnell vergessen. Mit den Armen umschlang Yves ihre Taille auf eine besitzergreifende, begehrende Art, sodass ihr Herz höher schlug, und als seine Lippen die ihren verführerisch umschlossen, wollte Gabrielle alles von ihm. Hingebungsvoll legte sie ihm die Arme um den Hals, schmiegte sich an seinen Körper und gab sich seinem leidenschaftlichen Kuss hin.
Er liebte ihren Sohn. Er vertraute ihr die Geheimnisse seines Herzens an.
Dieser Mann hatte ihr hinter Barrikaden verborgenes Herz erobert.
Sie hatten sich beide so ineinander verloren, dass sie die Schritte und das leise Knarren der Tür, als diese geöffnet wurde, nicht vernahmen.
Gabrielle löste sich aus Yves’ Umarmung, erschrocken, dass man sie in dieser Situation überrascht hatte.
„Maman!“ , schrie Thomas auf.
Ehe Gabrielle ihn richtig wahrnehmen konnte, hatte sich der kleine Junge umgewandt und rannte davon.
Sie lief ihm sogleich nach, und die Tritte von Yves’ Stiefeln dröhnten hinter ihr her.
15. KAPITEL
N ein!
Von Entsetzen gepackt, lief Yves hinter Gabrielles schlanker Gestalt her. Was sollte er tun, wenn Thomas seine Mutter zwang, zwischen Gemahl und Sohn zu wählen? Er wusste nur zu gut, wie sich Gabrielle entscheiden würde.
Immerhin war ihre Liebe zu Thomas eine jener Eigenschaften, die er an ihr so bewunderte.
Der Knabe schlüpfte in eine Kammer am Ende des Korridors, Gabrielle folgte ihm aufgeregt. Sie warf Yves einen Blick über die Schulter hinweg zu, und in ihren großen violetten Augen lag ein tiefes Flehen.
„Würdet Ihr wohl einen Kerzenleuchter holen?“, fragte sie atemlos, doch der Ritter wusste, was sie wirklich wollte.
Seine Anwesenheit war hier nicht erwünscht. Sie schob ihn bereits jetzt beiseite, ahnend, in welche Richtung die Gedanken ihres Sohnes gingen.
Nichts anderes hatte er erwartet.
Wortlos wandte er sich um und kehrte zum Schlafgemach zurück. Er nahm einen der Leuchter mit einer brennenden Kerze. Plötzlich wusste er ganz genau, was er zu tun hatte.
Nein. Er würde sich von dieser Unterredung nicht ausschließen lassen, denn alles, was er je begehrte, stand auf dem Spiel. Er wollte nicht abseits stehen, während ihr Ehebund gefährdet war.
Immerhin war er Thomas’ Freund.
Und er würde erneut um die Frau kämpfen, die er so schwer errungen hatte.
Yves kehrte zu der Kammer zurück. Es überraschte ihn, Gabrielle immer noch auf der Türschwelle vorzufinden. Hatte sie auf ihn gewartet? Sie warf ihm ein dankbares Lächeln zu, dann zeigte sie auf die große Truhe im hintersten Winkel des Raumes.
„Er ist da hinauf geklettert“, sagte sie und lehnte sich Schutz suchend an ihn, als ob sie die Lage mit ihm gemeinsam meistern wollte. Yves hob den Leuchter hoch und sah den Knaben mit weit aufgerissenen Augen auf der Truhe sitzen.
„Thomas?“, sagte Gabrielle sanft. „Würdest du herunterkommen und mit uns sprechen?“
Uns. Der Ritter jubelte innerlich darüber, dass sie bereitwillig dieses Wort gebrauchte. Er legte seine Hand um ihre Taille, und gemeinsam traten sie näher an ihren
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