Historical Exclusiv 45
an die Stallmauer stieß. Methuselah bleckte die Zähne und beruhigte sich endlich mit einem letzten wütenden Schnauben. Seine Nüstern bebten noch immer.
Er warf den beiden einen bedrohlichen Blick zu, der einem das Blut in den Adern gerinnen ließ.
Yves’ Herz pochte heftig, und er spürte, wie Thomas’ Puls raste. Bei dem Gedanken, was hätte geschehen können, brach ihm kalter Schweiß aus, doch er fasste sich, ehe er mit ruhigem Ton sprach.
„Ich denke“, gelang es ihm zu sagen, „damit hast du uns alle überrascht.“
Der Knabe grinste schelmisch, offensichtlich war er sich der Gefahr nicht bewusst, in der er geschwebt hatte, und versuchte, sich Yves’ Umklammerung zu entwinden.
Der Ritter schluckte, dann marschierte er mit dem Jungen zu Merlins Stand. Er sprach besänftigend auf sein Pferd ein und betrat erst den Stall, als er sah, wie die Ohren des Tieres erkennend zuckten.
„Siehst du“, erklärte er sanft, „es ist nicht ratsam, einen Hengst zu erschrecken.“ Er ging neben Merlin in die Hocke und stellte Thomas auf die Füße.
Der Unterstand war groß genug, sodass sie sich außerhalb der Reichweite der Hufe des Hengstes befanden. „Tritt zurück und sieh dir die Größe des Tieres an. Methuselah ist genauso groß. Komm, gib mir deine Hand.“
Thomas tat, wie ihm geheißen, doch sein Lächeln wich, als der Ritter ihrer beider Hände auf Merlins enormes Vorderbein legte. Selbst Yves’ Hand reichte nicht aus, um den Huf zu umspannen.
„Das sind große, schwere Tiere“, sprach er zu dem Knaben mit ernster Miene. „Man darf ihr Gewicht nicht unterschätzen.“ Er schnalzte Merlin zu und streichelte ihn.
Das Ross hob gehorsam den Huf und zeigte das große Hufeisen. Thomas riss bei diesem Anblick die Augen auf.
„Du hättest ernsthaft verletzt werden können“, erklärte ihm der Chevalier. „Deine Mutter hätte mich köpfen lassen, dessen kannst du sicher sein.“
Thomas grinste, aber gehorsam zog er sich auf Yves’ Geste hin zurück, dabei verschränkte er die Hände hinter dem Rücken. Sichtlich gebannt, beobachtete er Merlin, wie dieser seinen Huf wieder auf den Boden stellte.
Er interessierte sich also für Pferde, und Saint-Roux entschloss sich, diese Neugier zu nutzen.
„Komm mit, ich werde dir etwas über Pferde erzählen“, lud er ihn ein und war erfreut, dass der Knabe sich das nicht zweimal sagen ließ. Yves hockte sich in das süß duftende Stroh vor dem Unterstand. Er hatte einen Platz für ihre Unterhaltung gewählt, wo ein paar Sonnenstrahlen durch die Ritzen zwischen den Holzbohlen fielen.
„Pass auf“, begann er und bemerkte, dass der Junge begierig zuhörte, „wenn du ein Pferd reiten willst, muss es dir vertrauen. Überraschungen tragen wenig dazu bei, sein Vertrauen zu nähren. Hast du gesehen, was ich tat, ehe ich in Merlins Stall trat?“
Thomas nickte. Der Ritter wartete, und der Knabe schnalzte mit der Zunge, um Yves’ Ton nachzuahmen. Dann hob er die Hand, als ob er den Rumpf des Rosses tätschelte.
Saint-Roux lächelte. „Genau so. Du hast ein wachsames Auge, Thomas.“ Der Knabe lächelte über das Lob und kam ganz nahe zu Yves. „Ich mache immer das gleiche Geräusch, wenn ich zu Merlin in den Stall komme, damit er weiß, dass ich es bin, besonders wenn ich mich ihm von hinten nähere.“
Thomas nickte zum Zeichen, dass er verstanden hatte.
„Und ich streichle ihn, damit er weiß, dass wir Freunde sind. Wann immer ich kann, striegle ich ihn, ehe wir ausreiten, weil er das mag.“
„Freunde“, sagte Thomas zustimmend. Yves’ Herz machte einen Freudensprung, dass der Knabe gesprochen hatte.
Wie sehr wünschte er, Gabrielle hätte dieses erste Wort gehört!
„So ist es“, stimmte er zu. „Wir sind Freunde.“
Thomas saß neben dem Ritter. Dabei versuchte er die gleiche Haltung wie er einzunehmen. Dieser zwang sich, nicht zu lächeln. Der Junge runzelte die Stirn ein wenig, und Yves’ Versuch eines Lächelns erstarb.
Was hatte er falsch gemacht?
Der Knabe legte zaghaft eines seiner kleinen Händchen auf das Knie des Ritters und blickte zu ihm auf. In den dunklen Augen des Kindes war Unsicherheit zu erkennen. „Freunde?“, fragte er leise, seine Angst vor Zurückweisung war so offensichtlich, dass sich Yves’ Herz zusammenzog.
„Ich wäre sehr gerne dein Freund“, erklärte der Chevalier, und Thomas lächelte glücklich. Yves lächelte zurück und umschloss das Händchen des Jungen. Er war überrascht, wie sehr das Lächeln
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