Historical Exclusiv 45
verlegen an dem Surcot, und der Schleier fiel über ihr Gesicht und verbarg ihren Gesichtsausdruck vor Yves.
„Da haben wir etwas gemeinsam“, sagte dieser mit gesenkter Stimme. Sie warf ihm einen Blick zu, und wieder lächelte er leicht. „Unsere Väter schmoren zweifellos in der Hölle.“
In ihren Augen flammte etwas auf, doch Gabrielle wandte sich rasch wieder ab. „Das trägt schwerlich dazu bei, meinen Stolz zu heben.“
„Nein, das tut es nicht“, räumte Saint-Roux ein. Er war enttäuscht darüber, dass er ihr kein Lächeln abringen konnte. „Erzählt mir von Michel. Warum habt Ihr ihm vertraut?“
Sie seufzte stirnrunzelnd. „Michel war in keiner Beziehung stattlich, und ich dachte, dass er deshalb vielleicht keinen Grund hatte, eitel zu sein oder gar andere auszunützen. Er hatte seine eigenen Einkünfte, denn Tulley hatte ihn gerade mit Perricault belehnt. Ich konnte ihm also nichts geben, was er nicht schon hatte, außer vielleicht einen Sohn.“
„Das habt Ihr getan.“
„Ja, doch anscheinend war dies nicht genug.“ Sie runzelte die Stirn und verdrängte Adelys’ Offenbarung. „So kam es, dass ich ihm vertraute. Ich dachte, unsere Verbindung stützte sich auf Aufrichtigkeit und Vernunft.“
Und Liebe. Gabrielle hatte den Mann geliebt, der so grausam ihre Zuneigung beiseite warf, indem er stattdessen das leere Vergnügen wählte, das ihm jemand wie Adelys gewährte.
Das hatte Gabrielle wirklich nicht verdient.
„Doch alles war nur Lüge“, sagte sie wütend. „Meine Mutter hatte recht, und ich hätte niemals ihren Rat missachten sollen. Wäre ich doch nur in ein Kloster gegangen.“
Yves erkannte auf einmal, dass diese schreckliche Geschichte auf ihn zurückfallen könnte. Fürchtete sie, dass sie erneut die Worte ihrer Mutter missachtet hatte? Wenn sie ihn für genauso schlecht hielt, könnte er niemals ihr Vertrauen erringen.
So hatte er sich eine gemeinsame Zukunft nicht vorgestellt.
„Nein!“ Er packte Gabrielle bei den Schultern, dass sie seinem Blick nicht ausweichen konnte. „Eure Mutter hatte recht, was Euren Vater angeht. Sie mag auch recht gehabt haben, was Michel anbetrifft, doch ihre Worte passen nicht auf alle Männer.“
„Das müssen sie!“, beharrte sie.
„Warum? Fürchtet Ihr, dass ich nicht besser bin als Euer Vater?“
Sie sah von einer Seite zur anderen, als ob sie einen Ausweg aus diesem Dilemma suchte.
„Tut Ihr das?“
„Ich weiß es nicht.“
Yves spürte, wie Zorn in ihm aufstieg. Sie hatte keinen Grund, an ihm zu zweifeln, und das wollte er ihr beweisen! War sie nicht eine Frau, die einen klaren Verstand besaß? „Findet Ihr mich eitel?“, wollte er wissen. „Verschleudere ich das Vermögen Perricaults für Kleidung und unnötigen Tand?“
„Nein. Ihr habt nichts davon ausgegeben.“
„Habe ich Euch je auf irgendeine Weise betrogen?“
„Nein.“
„Habe ich Euch je anders als mit Höflichkeit behandelt?“
Gabrielle schüttelte unglücklich den Kopf.
„Oder habe ich mein Wort gebrochen?“
„Das ist nicht dasselbe!“, erwiderte sie.
Yves konnte nicht an sich halten, sie heftig zu schütteln. „Es ist genau dasselbe!“, beharrte er. Seine Geduld wurde auf eine harte Probe gestellt, da seine Gemahlin entschlossen war, ihn so niederträchtig einzuschätzen. „Gabrielle, gebraucht Euren Verstand, den Gott Euch geschenkt hat! Ist es gerechter, einen Mann nach den Taten anderer zu beurteilen oder nach seinen eigenen?“
Sie warf ihm einen aufsässigen Seitenblick zu. „Seinen eigenen.“
„Und meine?“
Gabrielle seufzte, denn ihr war klar, dass sie das Eingeständnis nicht vermeiden konnte. „Über jeden Zweifel erhaben“, gab sie zu. „Zumindest bis jetzt.“
„Bis jetzt! Bis jetzt!“ Enttäuscht ging Yves von ihr weg, fuhr sich mit der Hand durchs Haar, dann kehrte er an ihre Seite zurück. „Werde ich niemals Euer Vertrauen erlangen? Müssen wir bis ans Ende unserer Tage mit Euren Vorurteilen über meinen Charakter leben?“
„Nur bis Ihr nichts anderes mehr zu gewinnen habt!“
„Und was kann ich jetzt von Euch gewinnen?“
Sie hob den Kopf. „Meine Gleichgültigkeit über Eure Liaison mit Adelys.“
„Adelys“, zischte Yves, und sein Blick wurde finster. „Lasst mich zusammenfassen. Ich habe Euch nur Perricaults wegen geehelicht, das Lager nur mit Euch geteilt, um einen Sohn meines Blutes zu bekommen, und nun soll ich Eurer Meinung nach nur darauf bedacht sein, mit reinem Gewissen das Bett dieser
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