Historical Exclusiv 45
nackt mit einem Mann in einer Badewanne herumzutollen, ganz zu schweigen davon, ihm die Geheimnisse ihres Körpers mit solch lustvoller Hingabe zu schenken. Rorik hatte jedes Fleckchen Haut, jede Mulde und jede Erhebung ihres Körpers geküsst und gestreichelt. Und später, als das Paar sich in seine Kammer zurückzog, hatte er sie nachts im Schlaf in den Armen gehalten.
Yvaine vollführte einen kleinen Hopser vor Glück, dann verschränkte sie die Arme und vergewisserte sich mit unsteten Blicken über die Schulter, ob jemand ihren kindlichen Überschwang bemerkt hatte. Was dachte sie sich eigentlich dabei? Sie sollte die Sklaven beaufsichtigen, die im Haus geblieben waren, um den Leichenschmaus zuzubereiten. Zumindest war das der Grund, den Rorik genannt hatte, um sie daran zu hindern, an Egils Begräbnis teilzunehmen, im Wissen, dass sie Teile der Feierlichkeiten bedrücken und mit Abscheu erfüllen würden.
Seine Fürsorge wärmte ihr das Herz. Er benahm sich beinahe, als hege er zärtliche Gefühle für sie. Gedankenverloren schlenderte sie zum Stuhl des Jarls und rückte ihn gerade. Mochte Rorik gegenwärtig auch nur von seinem Verlangen getrieben werden, so erschien ihr die Zukunft mit ihm dennoch viel versprechend und glänzend wie die Edelsteine, die den Schild über ihr schmückten.
Sie stand im Anblick des Kunstwerks vertieft und entsann sich ihrer Absicht, in Norwegen ihre Schriftsammlung noch einmal niederzuschreiben, die Ceawlin vernichtet hatte. Wenn das Leben wieder in ruhigeren Bahnen verlief, wollte sie Rorik bitten, Federkiele und Pergament zu besorgen, dann würde sie damit beginnen …
„Ragnarök scheint dich zu faszinieren, liebe Schwester“, ließ sich eine sanfte Stimme hinter ihr vernehmen. „Vermutlich rufst du die Götterdämmerung an.“
Yvaine fuhr herum, erschrocken über Othars Stimme und seine Anrede – obgleich sie nach norwegischem Gesetz nun als seine Schwester galt. Die Vorstellung dämpfte ihre Hochstimmung beträchtlich.
„Ihr Nordleute glaubt an die Götterdämmerung“, entgegnete sie und warf einen hastigen Blick über seine Schulter, um sich zu vergewissern, dass die Sklaven noch in der Halle waren. „Eure Götter sind nicht unsterblich.“
„Ja, so ist es.“ Er hob den Blick zum Schild und nickte. „Auf der linken Seite siehst du, wie Odin vom Wolf Fenrir in den Fuß gebissen wird. Auf dem Bild darunter kämpft Thor mit der Schlange Midgarthsorm, die sich aus dem Meer erhebt und ihn verschlingen will. Er besiegt die Schlange, stirbt aber an ihrem Gift. Daraus kann man nützliche Lehren ziehen, Schwester.“
„Und auf der rechten Seite?“, fragte Yvaine gleichmütig.
„Dort sehen wir ein glücklicheres Ereignis. Der Held Sigurd tötet den Drachen Fafnir. Nachdem er sein Blut getrunken hat, versteht er die Sprache der Vögel, die ihm verraten, wo das Ungeheuer seinen Goldschatz versteckt hat.“
„Hm. Interessant. Aber nun entschuldige mich, Othar, ich muss mich darum kümmern, dass das Festmahl rechtzeitig fertig ist. Bald kommen auch die anderen zurück.“
„Ich bin früher gegangen. Wieso soll ich meine Zeit damit vergeuden und zusehen, wie man einen Hügel über dem alten Mann errichtet. Er hat mich nie gemocht.“
Othar sprach die Worte leichthin, Yvaine aber spürte seine Bitterkeit.
„Das tut mir Leid“, sagte sie verlegen. „Das hat dich wohl unglücklich gemacht.“
„Ja, du verstehst das, nicht wahr?“ Er nahm sie am Arm, in seinen Augen glühte ein leidenschaftliches Fieber, das Mitleid und Abscheu gleichermaßen in ihr weckte. Als sie versuchte, ihm ihren Arm zu entziehen, schlug seine Stimmung um. „Ich wollte dir gestern nicht wehtun“, murmelte er. „Es war deine eigene Schuld.“
„Dann lass meinen Arm los“, befahl sie ihm, als wäre er ein trotziges Kind. Seine Berührung verursachte ihr eine Gänsehaut, andererseits verstand sie seine Bitterkeit, was nicht bedeutete, dass sie sich von ihm blaue Flecken zufügen lassen wollte. „Wir erwarten Gäste. Die Pflicht ruft.“
Sie fürchtete, Othar würde sie mit Gewalt daran hindern. Seine Finger drückten schmerzhaft zu, dann ließ er sie los und trat zurück.
„Rorik denkt, er kann mich fortschicken“, sagte er mit seiner üblichen mürrischen Miene. „Aber er wird seinen Fehler bald einsehen. Dann gehörst du mir. Dies alles gehört mir.“
Er machte auf dem Absatz kehrt und stieß beinahe mit Ingerd zusammen, die von beiden unbemerkt die Halle betreten hatte. Die
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