Historical Exclusiv 45
sie seine letzten Worte kaum hören konnte. Hatte er „mein Liebling“ gesagt? Sie war so mit ihren eigenen verwirrten Gefühlen befasst, dass sie Mühe hatte, seine Gefühle zu deuten. Es war so viel geschehen. So viele neue Eindrücke waren auf sie eingestürmt, die sie überwältigt hatten.
„Wie gut“, fuhr er murmelnd fort, „dass wir deine Schmerzen gleich hier lindern können.“
„Wie denn?“
Sie spürte seinen lächelnden Mund an ihrem Ohr. „Das Bad. Ich nehme doch an, das war der Grund, warum du hier heraufgekommen bist.“
„Ja, aber …“ Lustschauer durchrieselten sie, als er ihr Ohrläppchen zwischen seine Lippen nahm, dann stürmte die Erinnerung auf sie ein. „Rorik, du glaubst doch nicht …?“
„Nein, niemals.“ Er nahm ihr Gesicht zwischen seine Hände und blickte ihr tief in die Augen. „Ich würde niemals an deiner Ehre zweifeln, Yvaine. Aber ich bitte dich, um deiner eigenen Sicherheit willen, geh nicht alleine hierher. Zumindest nicht, solange Othar noch in Einervik ist.“
„Ich verspreche es. Aber ich war nicht allein, Gunhild war bei mir.“
„Gunhild?“ Er stutzte. Und Yvaine begriff, dass er in seinem Zorn, Othar mit ihr im Badehaus vorzufinden, ihre Erklärung gar nicht gehört hatte.
„Ja. Sie versprach, Anna und ein paar Sklaven heraufzuschicken, doch dann sperrte sie mich hier ein. Vielleicht hat Othar ebenfalls einen Schlüssel, aber …“
„Das ist gar nicht nötig“, fiel er ihr ins Wort. „Das Badehaus ist nie verschlossen. Der Schlüssel hängt immer neben der Tür.“
„Tatsächlich?“ Sie war völlig verdutzt. „Gunhild behauptete, das Badehaus sei immer verschlossen, um zu verhindern, dass die Sklaven sich hier heimlich vergnügen.“
Rorik lächelte. „Ja, kann sein, dass sich hier gelegentlich ein Pärchen vor der Arbeit drücken will. Dennoch …“ Er blickte zu den Wasserkesseln hinüber, von denen Dampfwölkchen aufstiegen. Und dann zwinkerte er ihr schalkhaft zu. „Da wir schon mal hier sind und das Wasser warm ist …“
Yvaine musste lachen. Ein Glücksgefühl stieg in ihr auf über seinen schnellen Stimmungswechsel, und dann warf sie einen zweifelnden Blick zu den Wasserkesseln hinüber. „Damit füllen wir aber diese große Wanne nicht.“
Ein sündiges Funkeln trat in seine Augen. „Vertrau mir“, raunte er und hauchte einen flüchtigen Kuss an ihre Lippen. „Für das, was ich beabsichtige, reicht das Wasser allemal.“
11. KAPITEL
G unhild behauptete, sie habe Othar den Schlüssel gegeben, als sie ihm auf ihrem Weg zum Haus begegnet war, mit dem Befehl, ihn Anna auszuhändigen, da es in der Molkerei einen Zwischenfall gegeben hatte, der ihre Anwesenheit erforderte. Sie entschuldigte sich höflich und besorgt für den Ärger, den Othar verschuldet hatte. Ja, er musste endlich lernen, dass sein jugendlicher Übermut, angeheizt durch übermäßigen Biergenuss, einfach nicht mehr hingenommen werden konnte.
Ihre Erklärungen hatten vernünftig und einsichtig geklungen, als Rorik sie auf die Vorkommnisse im Badehaus angesprochen hatte. Aber Yvaine hatte ihr kein Wort geglaubt. Am nächsten Morgen dachte sie immer noch beunruhigt an den Vorfall, als sie die Sklaven bei den Vorbereitungen zum Leichenschmaus beaufsichtigte, kam aber rasch zur Überzeugung, dass ihr nichts anderes übrig blieb, als die Angelegenheit auf sich beruhen zu lassen. Ohne stichhaltigen Beweis, dass Othar nicht aus Übermut im betrunkenen Zustand ins Badehaus eingedrungen war, würde sie sich mit ihren Zweifeln an Gunhilds Geschichte der Lächerlichkeit preisgeben, oder schlimmer noch, sich den Ruf einer Unruhestifterin zuziehen. Rorik würde sich ihre Bedenken vermutlich geduldig anhören, aber was sollte er gegen einen vagen Verdacht unternehmen, den sie nicht begründen konnte?
Nein. Es war ratsam, die Sache auf sich beruhen zu lassen und darauf zu achten, dass sie nicht mit Gunhild oder Othar alleine war, was nicht schwer sein dürfte, da Mutter und Sohn in wenigen Tagen Einervik verlassen würden. Im Übrigen wollte sie sich an den süßen Erinnerungen des gestrigen Abends erfreuen: Erinnerungen an Roriks zärtliche Behutsamkeit, mit der er sie genommen hatte, an Empfindungen unbeschreiblichen Glücks, an seine Zärtlichkeiten hinterher. Und dann dachte sie mit einem verschämten Lächeln an die sündigen Spiele in der Badewanne.
Für seine Absichten hatte das Wasser völlig ausgereicht. Noch vor einer Woche wäre ihr nie in den Sinn gekommen,
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