Historical Exclusiv 45
schon von Zuneigung? Er hat mich geheiratet, weil ich ihm Wohlstand brachte, doch dann versuchte er, mir ein Kind zu verweigern.“ Ihre dünnen Lippen verzogen sich zu einem Hohnlächeln. „Nun kenne ich den Grund. Er wollte seinem Bastard-Sohn das Erbe übertragen. Und dieser Mann sprach von Ehre.“
„Egil war ein ehrenhafter Mann, Gunhild. Zu ehrenhaft, um eine solche Geschichte einer Sklavin anzuvertrauen. Wenn Ingerd wusste, dass meine Mutter eine Konkubine war, warum hat sie darüber nicht schon früher gesprochen?“
„Eine gute Frage“, pflichtete Ragnald ihm bei. „Egil hätte einer Sklavin eine Sache dieser Bedeutung nicht anvertraut, ohne seinen Sohn davon zu unterrichten. Die Frau will Unfrieden stiften und führt Böses im Schilde.“
„Egil lag im Sterben“, beharrte Gunhild. „In seinen kurzen wachen Momenten war nur Ingerd bei ihm. Dann verlor er die Besinnung und blieb in diesem Zustand, bis er starb. Ingerd war von dem, was sie erfahren hatte, in großer Sorge und wandte sich umgehend an mich, in der richtigen Annahme, dass ich darüber Bescheid wissen sollte.“
„Und sie war nicht der Meinung, dass auch mir dieses Recht zustand?“, fragte Rorik sarkastisch.
„Du hast keinerlei Rechte“, zischte sie. „Weil deine Mutter nicht einmal eine Konkubine war. Nein! Egil hatte nicht einmal so viel Anstand, er hat sich noch wesentlich ehrloser verhalten“, verkündete sie mit lauter Stimme, wobei sie anklagend mit dem Finger auf Rorik wies. „Du bist lediglich der Sohn einer Sklavin“, schrie sie gellend. „Und schlimmer noch! Deine Mutter war nicht einmal aus Norwegen, sie war Engländerin. Eine Gefangene wie deine Ehefrau!“
Rorik sprang auf die Füße. „Bei den Göttern, Gunhild. Du schuldest mir den Beweis für diese Anschuldigungen. Du sagst, Ingerd weiß alles? Dann lass sie holen.“
Noch während er sprach, klopfte es zaghaft an der Tür. Einen Moment saßen alle starr. Dann erhob Thorolf sich, ging zur Tür und öffnete.
Ingerd schlurfte in die Halle, von Anna gestützt.
Eine Welle der Erleichterung durchflutete Yvaine. Aber was hatte sie erwartet? Ingerd machte den Eindruck, als sei sie jäh aus dem Schlaf gerissen worden, warf unstete Blicke um sich, als finde sie sich in ihrer Umgebung nicht wirklich zurecht. Aber sie war am Leben.
„Aha, wie gut, Ingerd, dass du kommst.“ Gunhild winkte sie zu sich. „Wir wollten dich gerade holen lassen.“ Mit einer wegwerfenden Handbewegung in Annas Richtung fuhr sie fort: „Wir brauchen dich nicht, Sklavin. Geh an deine Arbeit.“
Anna achtete nicht auf sie und suchte tapfer Yvaines Blick. „Mylady?“
„Es ist gut, Anna. Warte in meiner Schlafkammer auf mich. Danke, dass du uns Ingerd gebracht hast.“
Noch während sie sprach, wusste Yvaine, dass sie einen Fehler begangen hatte. Rorik warf ihr einen strafenden Blick zu, seine Augen waren kalt und abweisend.
„Das gilt auch für dich, Yvaine. Deine Anwesenheit ist nicht nötig.“
„Ausnahmsweise bin ich deiner Meinung, Rorik.“ Gunhild lächelte selbstzufrieden. „Aber wenigstens wissen wir, wieso du das Mädchen geheiratet hast. Gleich und Gleich gesellt sich gern, nicht wahr?“
Rorik überhörte ihre bissige Bemerkung und wies mit dem Kinn zur Tür. „Lass uns allein.“
Yvaine erhob sich. „Rorik …“
„Lass uns allein, verdammt noch mal!“
„Nein“, widersprach sie leise, aber bestimmt, während sie seinem Blick unverwandt begegnete und neben ihn trat. „Mein Platz ist an deiner Seite. Ich bin deine Ehefrau und habe das Recht, zu bleiben.“
Ein gefährlicher Funke glühte in seinen Augen, der bei Ragnalds gemessenen Worten erlosch.
„Deine Frau soll bleiben, Rorik. Es betrifft auch sie. Sie ist zwar Engländerin, aber du hast sie nach nordischem Gesetz geheiratet. Und sollten Gunhilds Ansprüche zu Recht bestehen, könnte Yvaine den Wunsch haben, die Ehe aufzulösen.“
„Nein! Das meinte ich nicht …“
„Aber Ragnald, was redest du?“ Gunhilds scharfe Stimme übertönte Yvaines Einwand. „Sie scheinen gut zueinander zu passen. In den beiden fließt mehr englisches Blut als nordisches.“
In Roriks Wange vibrierte ein Muskelstrang. „Wir sprechen über meine Herkunft, Gunhild, nicht über meine Ehe.“ Er nickte der alten Frau zu, die nun neben Gunhild stand. „Sag uns, was du weißt, Ingerd.“
Zitternd wandte sich die alte Sklavin in seine Richtung. Sie wirkte so zerbrechlich, so unsicher auf den Beinen, dass Yvaine
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