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Historical Exclusiv 45

Historical Exclusiv 45

Titel: Historical Exclusiv 45 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Byrne , Claire Delacroix
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befürchtete, der Luftzug vom Fenster würde sie umwerfen. Irgendetwas stimmt hier nicht, dachte sie. Sie konnte es spüren wie ein entferntes, kaum wahrnehmbares Geräusch, wie einen Schatten, der nicht zu fassen war. Aber es blieb keine Zeit, dieser schwachen Ahnung nachzugehen. Ingerd begann zu sprechen, wählte ihre Worte mit Bedacht und erzählte eine Geschichte, die Yvaines eigenem Schicksal erschreckend ähnlich war. Bis auf einen entscheidenden Punkt.
    Welche Ironie, dachte Yvaine, während sie zerstreut zuhörte. Egil hatte behauptet, er habe Roriks Mutter gern gehabt, aber er hatte sie nicht geheiratet, sondern gezwungen, ein uneheliches Kind zur Welt zu bringen. Rorik hingegen, der sie nicht liebte, hatte sie …
    „Hattest du den Eindruck, Egil habe im Wahn gesprochen?“, fragte Ragnald die Alte, und Yvaine richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf das Verhör.
    „Nein.“ Ingerd schüttelte den Kopf. „Er hat mich erkannt und fragte, ob ich mich an Alicia erinnere. Deine Mutter, Rorik. Er murmelte, die Vergangenheit wiederholte sich, als du dein Mädchen nach Einervik gebracht hast. Aber du bist stärker, sagte er. Du hast Yvaine geheiratet, während Alicia eine Sklavin blieb, nachdem er sie aus England entführt hatte, und er schämte sich, dass ihm die Familienehre mehr bedeutet hatte und du darunter leiden wirst. Und nachdem …“
    „Danke, Ingerd. Das ist alles, was wir wissen müssen.“ Gunhild neigte hoheitsvoll den Kopf und zog die Aufmerksamkeit der Versammelten wieder auf sich. „Zweifellos bedauerte Egil, was er versäumt hatte. Ein Sterbender denkt stets an die Fehler, die er begangen hat. Aber, meine Herren, wir befassen uns hier mit der Zukunft, und ich werde dafür sorgen, dass mein Sohn den Platz einnimmt, der ihm nach dem Gesetz zusteht.“
    Hingvar lehnte sich mit besorgter Miene zurück und besprach sich leise mit Ragnald. Rorik beobachtete die beiden Jarls. Er hatte sich nicht bewegt, doch Yvaine spürte seine innere Spannung. Die Anspannung eines Raubtiers vor dem Sprung.
    Sie fing Thorolfs Blick auf, der ihr zunickte und ihr mit einem Wink zu verstehen gab, auf der langen Bank Platz zu nehmen. Nach einem flüchtigen Blick in Roriks versteinertes Profil setzte sie sich.
    Gunhild beugte sich fürsorglich über Ingerd und flüsterte ihr etwas zu. Das alles stimmt nicht, dachte Yvaine wieder beklommen. Aber was? Warum?
    „Meine Herren.“ Gunhild hob den Kopf. „Euer Einverständnis vorausgesetzt, möchte ich die alte Magd entlassen. Sie ist schwach und kränklich und hat einen schweren Tag hinter sich. Falls Rorik noch Fragen an sie hat, kann er morgen mit ihr sprechen.“
    Rorik nickte, bevor die anderen etwas sagen konnten.
    Als Ingerd mit unsicheren Schritten aus der Halle schlurfte, musste Yvaine an sich halten, um nicht hinter der alten Frau her zu laufen. Sie wollte Ingerd jetzt befragen. Das bange Gefühl, morgen könne es zu spät sein, war beinahe überwältigend. Andererseits wollte sie Rorik nicht allein lassen. Vielleicht machte sie sich unnötige Sorgen …
    „Rorik.“ Ragnald erhob sich. „Hingvar und ich halten die Angelegenheit für so bedeutsam, dass sie vor Gericht gebracht werden muss. Ich kann nicht glauben, dass Egil die Frage seiner Nachfolge im Ungewissen gelassen hat. Aber die Aussage der Sklavin Ingerd klingt glaubwürdig. Darüber muss vor dem Ältestenrat entschieden werden.“
    „Und in der Zwischenzeit?“, fragte Gunhild schrill. „Die Obersten des Landes werden sich erst in einem Jahr wieder im Althing versammeln. Soll Othar etwa so lange warten, während dieser Sohn einer englischen Sklavin die Herrschaft über ein nordisches Gut übernimmt? Selbst Thorolf hätte einen gültigeren Anspruch darauf.“
    „Nun hör aber auf, Gunhild …“
    „Wir müssen dafür sorgen, dass die Gesetze eingehalten werden“, unterbrach Ragnald mit strenger Stimme Thorolfs Einwurf. „Welche Stellung Roriks Mutter auch eingenommen hat, Egil hat ihn als seinen Sohn anerkannt. Er hat zumindest Anspruch auf einen Teil seines Besitzes.“
    „Ich habe nicht die Absicht, Rorik seinen Anteil streitig zu machen, meine Herren“, meldete Othar sich zu Wort und strahlte übers ganze Gesicht, als alle Köpfe sich ihm zuwandten. Er genoss die Aufmerksamkeit der Versammelten sichtlich und erhob sich in träger Überheblichkeit. „Nein, Mutter, lass mich sprechen“, sagte er, als Gunhild den Mund öffnete. „Ich war ebenso entrüstet wie ihr alle, als ich erfuhr, was

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