Historical Exclusiv 45
mein Vater getan hat. Rorik trifft keine Schuld. Er wird immer ein Heim hier haben, und ich hoffe, dass er in Erwägung zieht, den Besitz für mich zu verwalten.“
Rorik drehte sich langsam um. Yvaine konnte seinen Gesichtsausdruck nicht erkennen. Aber das falsche Lächeln wich jäh aus Othars Zügen. Er trat einen Schritt zurück.
Roriks Blick glitt zu Ragnald und Hingvar. „Es ist unnötig, unsere Familienangelegenheiten vor Gericht zu zerren“, sagte er ruhig. „Und Ihr sollt Eure Zeit nicht länger damit vergeuden. Ingerd sagt die Wahrheit.“
„Was!“ Gunhilds Stimme überschlug sich kreischend. „Du hast es gewusst ? Und du hättest meinen Sohn um sein Erbe …“
„Nein.“ Er schnitt Gunhild das Wort ab. „Ich wusste nichts. Aber die Worte meines Vaters kurz vor seinem Tod ergeben nun einen Sinn.“ Er holte tief Luft, und Yvaine spürte den Schauer, der ihn durchfuhr. „Ich glaube Ingerds Geschichte.“
„Nun ja, wenn du dir so sicher bist, Rorik.“ Ragnald warf einen zweifelnden Blick in Othars Richtung und schüttelte bedenklich den Kopf. „Ich weiß nicht, ob dieses Ergebnis in Egils Sinn wäre.“
„Daran hätte er früher denken müssen“, knurrte Rorik schroff, beherrschte sich aber augenblicklich. Nur Yvaine sah, wie er die Fäuste ballte, bis die Knöchel weiß schimmerten.
Sie ertrug seine Spannung nicht länger, sprang auf und berührte seine Hand.
Ohne sie eines Blickes zu würdigen, entriss er sie ihr. „Ich danke für deine Zeit, deine Geduld und deinen weisen Rat, Ragnald. Und auch dir, Hingvar. Aber ihr werdet gewiss verstehen, dass wir alles Weitere im Kreise der Familie besprechen wollen.“
„Natürlich, selbstverständlich.“ Hingvar machte ein betretenes Gesicht, erhob sich hastig und eilte zur Tür.
Ragnald folgte ihm, drehte sich aber noch einmal um. „Ich hoffe, du triffst keine übereilten Entscheidungen, Rorik. Du bist immerhin der Sohn deines Vaters. Wenn du Rat und Unterstützung brauchst, wende dich bitte an mich.“
Nachdem die Tür ins Schloss gefallen war, senkte sich wieder lastendes Schweigen über die Halle.
Niemand sprach oder rührte sich.
Dann trat Rorik vom Stuhl des Jarls zurück, drehte sich um, und Yvaine sah nun deutlich, was in ihm vorging. Zorn. Mühsam beherrschter Zorn. Doch hinter dem Zorn las sie eine Trauer, die an ihrem Herzen zerrte. Sie sehnte sich danach, zu ihm zu gehen, ihn zu berühren – obwohl er ihren Trost vorhin mit einer schroffen Geste zurückgewiesen hatte, die sie getroffen hatte wie ein Schlag ins Gesicht. Er blickte Othar in die Augen und wies auf den Stuhl seines Vaters.
„Dein Platz, nehme ich an, Bruder.“
Das ließ Othar sich nicht zweimal sagen. Er eilte aufs Podium, warf sich in Siegerpose in den Stuhl und ließ den Blick in triumphierender Genugtuung durch die Halle schweifen. „Ich muss sagen, du nimmst deine Entmachtung erstaunlich gelassen hin, Rorik. Hast du die Wahrheit wirklich nicht gewusst? Ich meine, jetzt riskierst du es doch, verbannt zu werden, nicht wahr? Ich konnte das zwar vor den alten Narren Ragnald und Hingvar nicht sagen, aber falls du nicht bereit bist, wieder auf Plünderfahrt zu gehen, um den Reichtum der Sippe zu mehren, musst du gehen. Mit der Tatsache, dass du ein Bastard bist, könnten wir uns abfinden, aber dein englisches Blut … das wäre wirklich zu viel verlangt.“
„Ich sehe schon jetzt, was aus dem Besitz wird, wenn du die Herrschaft übernimmst“, mischte Thorolf sich ein. „In weniger als einem Jahr wirst du die Sklaven zu Tode geschunden und das Gut heruntergewirtschaftet haben. Das wusste auch Egil, darauf wette ich. Kein Wunder, dass er nichts gesagt hat. Und Rorik für etwas in die Verbannung zu schicken, was er nicht verschuldet hat …“
„Ich verbanne jeden, wenn es mir passt“, brüllte Othar mit hochrotem Gesicht und richtete sich kerzengerade auf. „Und du bist einer der Ersten, der geht, Thorolf. Du warst immer gegen mich, hast mich bei meinem Vater angeschwärzt und mir Scherereien gemacht.“
„Bei Thor! Der Schreihals wird verrückt!“
„Ihr beide, Rorik und du, ihr verschwindet sofort“, kreischte Othar außer sich. „Ich habe genug von euch.“
„Nein.“ Yvaine stand auf, war sich kaum bewusst, was sie tat. „Das alles war nicht Egils Absicht. Das weiß ich. Hier stimmt etwas nicht.“
„Was mischst du dich ein? Was weißt du schon, englische Hure?!“ Gunhild stand zähnefletschend mit geballten Fäusten da, als wolle sie
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