HISTORICAL EXCLUSIV Band 21
verbrachten ihre Zeit, wie Georgiana vermutete, mit dem Feiern skandalträchtiger Feste auf ihren riesigen, eleganten Landsitzen.
Nicht zum ersten Mal, seitdem sie von Ashdownes Aufenthalt erfahren hatte, fand Georgiana sein plötzliches Interesse an Bath recht merkwürdig. Sie hätte gern gewusst, warum er hier war. Dazu musste sie es jedoch zuerst einmal schaffen, ihm vorgestellt zu werden. Er war vor ein paar Tagen angekommen und hatte bereits alle jungen, unverheirateten Damen, einschließlich ihrer Schwestern, in kopflose Aufregung versetzt. Dementsprechend schwierig machte es die große Menge der Frauen, die ihn umgab, einen Blick auf ihn zu erhaschen.
Er hatte eines der begehrten Häuser am Camden Place gemietet, und dies war nun das erste Mal, dass ihn die Allgemeinheit zu Gesicht bekam. Es hieß, er sei hier, um die Wirkung des Heilwassers zu erproben, doch Georgiana fand die Erklärung abstrus, da Ashdowne noch nicht einmal dreißig war und nicht den Eindruck machte, als litte er unter einer kränklichen Konstitution. Er konnte nicht indisponiert sein, dessen war sie sich sicher, als die Menge sich endlich teilte und sie den Mann besser betrachten konnte.
Er sah aus wie das Wohlbefinden in Person. Der Marquess of Ashdowne war wahrscheinlich der am gesündesten aussehende Mann, den Georgiana jemals zu Gesicht bekommen hatte. Ihr stockte bei seinem Anblick beinahe der Atem. Er war groß, etwa einen Meter fünfundachtzig, und schlank, ohne mager zu sein – dabei breitschultrig und kraftvoll. Der Marquess besaß einen Charme und eine Haltung, wie sie Georgiana bei einem Vertreter des übersättigten, dekadenten Modegeschmacks nie erwartet hätte.
Geschmeidig – dieses Wort kam ihr in den Sinn, als sie seine elegante Gestalt in der teuren Kleidung betrachtete und ihre Blicke langsam zu seinem Gesicht hochwandern ließ. Seine Haare waren dunkel und glänzten, seine Augen von einem verführerischen Blau, und sein Mund war … Georgiana fand keine treffenden Worte, um ihn zu beschreiben. Die Lippen hatten einen sinnlichen Schwung und eine kleine Einbuchtung über der Oberlippe. Sie schluckte und musste zugeben, dass Ashdowne über die Maßen gut aussah.
Und dazu hellwach.
Diese Erkenntnis traf sie wie ein Schlag, denn obwohl Georgiana sich der falschen Beurteilungen, die aufgrund der äußeren Erscheinung gefällt wurden, sehr bewusst war, so hatte sie doch angenommen, dass jemand, der so wohlhabend, einflussreich und gut aussehend war, nicht auch noch mit Verstand gesegnet sein konnte. Doch sie hatte sich getäuscht, denn während sie ihn noch voller Verwunderung betrachtete, traf sie der Blick des Marquess of Ashdowne, dessen Augen vor Intelligenz funkelten. Wäre sie ein wenig eitler gewesen, hätte sie seine Aufmerksamkeit ihrem Interesse an ihm zugeschrieben, denn es schien, als hebe er sie aus der Menge heraus.
Georgiana trat einen Schritt zurück. Sie schämte sich, ihn so angestarrt zu haben. Als daraufhin eine von Ashdownes dunklen Augenbrauen fragend zuckte, errötete sie. Sie fächelte sich Luft zu und schaute bewusst woandershin. Schließlich hatte sie den Mann nur genau betrachtet, so wie sie es auch mit anderen Menschen tat, und es gefiel ihr nicht, dass er sie so vertraulich angeschaut hatte. Ashdowne hielt sie vermutlich für eines dieser hingebungsvollen Geschöpfe, die angesichts seines Charmes reihenweise in Ohnmacht fielen.
Sie drehte sich rasch um und durchquerte fast den gesamten hellen Empfangsraum, ehe ihr klar wurde, dass sie gerade die ideale Gelegenheit verpasst hatte, um mit ihm bekannt zu werden. So etwas Dummes! Ärgerlich klappte sie ihren Fächer zusammen, da sie es eigentlich besser hätte wissen müssen, als ihre persönlichen Gefühle einer Untersuchung in die Quere kommen zu lassen. Sie konnte sich kaum einen Detektiv vorstellen, der einen Fall nicht weiterverfolgte, weil einer seiner Verdächtigen ihn allzu vertraulich angeschaut hatte.
Mit einem unwilligen Laut drehte sie sich um und wollte an ihren vorherigen Platz zurückkehren, musste jedoch feststellen, dass er bereits durch andere Frauen, junge und ältere, besetzt war. Dann erschien auch schon ihre Mutter und drängte sie, mit einem jungen Mann zu tanzen. Georgiana fügte sich ihrem Wunsch, da lange Erfahrung sie gelehrt hatte, dass es besser war, sich auf kein Streitgespräch einzulassen.
Schon bald stellte sie fest, dass Mr. Nichols ein netter Mann aus Kent war, der mit seiner Familie in Bath weilte. Als er
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