HISTORICAL EXCLUSIV Band 21
jedoch stockend über solch langweilige Themen wie das Wetter und die hiesige Gesellschaft reden wollte, verlor sie bald das Interesse. Obwohl sie immer wieder versuchte, einen Blick auf Ashdowne zu werfen, entdeckte sie ihn erst in dem Moment, in dem der Marquess mit einer jungen Witwe, die ihre Trauer leichtfertig vergessen zu haben schien, dem Garten zustrebte.
Georgiana runzelte die Stirn, als sie während des Gesellschaftstanzes erneut mit Mr. Nichols zusammentraf. Geistesabwesend nickte sie nur, wenn er ihr Fragen stellte. Sie brachte wirklich keine Geduld für eine solche Zeitvergeudung auf. Leider kannte sie den verklärten Blick ihres Tanzpartners nur allzu gut. Sobald sich seine Augen auf sie richteten, würden sie bestimmt auf ihren Locken oder ihrem schmalen Hals verweilen, oder – was noch schlimmer wäre – an ihrem üppigen Dekolleté, das sie, der Mode entsprechend, großzügig zur Schau stellte. Darauf hatte ihre Mutter bestanden.
Natürlich achtete er in keiner Weise darauf, was sie zu sagen hatte, sodass Georgiana öfters das Bedürfnis verspürte, ihm etwas Ungehöriges zuzuflüstern oder einen Mord zu gestehen, um somit zumindest seine Aufmerksamkeit zu erregen. Gewöhnlich konnte man ihre Bewunderer in zwei Gruppen teilen: Jene, die sich überhaupt nicht darum kümmerten, was sie sagte, und jene, die sehnsüchtig an jedem ihrer Worte hingen.
Unglücklicherweise konnte sie mit den Letzteren genauso wenig anfangen wie mit den Ersteren, denn sie hatte es noch nie geschafft, ein sinnvolles Gespräch mit ihnen zu führen. Mit anbetungsvollem Hundeblick stimmten sie allem zu, was sie sagte. Eigentlich hätte sie sich inzwischen daran gewöhnen sollen, aber sie empfand dennoch stets einen leichten Stich der Enttäuschung.
Ihre Mama pries gern die Vorzüge der Ehe und des Daseins als Mutter, doch wie sollte Georgiana sich auch nur vorstellen können, mit einem solchen Mann wie Mr. Nichols den Rest ihres Lebens zu verbringen? Wie viel schwieriger war es allerdings, in ihrem kleinen Bekanntenkreis jemand anderen kennenzulernen! Bildung war in Adelskreisen meist nicht sehr hoch angeschrieben, und selbst diejenigen, die eine gewisse Erziehung genossen hatten, schienen durch Georgianas Äußeres nicht gerade daran erinnert zu werden.
Wie ein Fluch lastete ihr Aussehen auf ihr. Deshalb entmutigte sie auch all ihre Bewunderer, was ihrer Mutter gar nicht gefiel. Doch sie hatte sich bereits mit der Vorstellung abgefunden, ihr Leben als alte Jungfer zu verbringen, wobei sie zumindest die Freiheit besitzen würde, sich so zu geben und so zu handeln, wie es ihr gefiel – vorausgesetzt, dass ihr Großonkel Morcombe ihr das versprochene kleine Einkommen tatsächlich hinterlassen würde. Sie wünschte sich aber keineswegs, dass er schon bald das Zeitliche segnen würde.
Zu ihrer großen Erleichterung endete schließlich der Tanz. Georgiana beauftragte Mr. Nichols, ihr einen Eisbecher zu holen. Das verschaffte ihr die dringend notwendige, wenn auch nur kurze Erholung von seiner Gegenwart.
„Ist er nicht wunderbar?“, flüsterte ihre Mutter ihr zu. „Ich habe aus zuverlässiger Quelle erfahren, dass sein Großvater ihm einen ansehnlichen Landbesitz in Yorkshire vererbt, der ihm gut tausend Pfund im Jahr einbringen wird.“
Die Ernsthaftigkeit im Gesicht ihrer lieben Mama hielt Georgiana davon ab, ihre Hoffnungen mit einer heftigen Bemerkung zunichtezumachen. Wenn es nicht Mr. Nichols war, dann würde ihr ein anderer Gentleman aufgedrängt werden; deshalb nickte sie nur geistesabwesend, während sie den Saal nach Ashdowne absuchte. Zu ihrer Überraschung befand er sich nun auf der Tanzfläche und bewegte sich dabei mit einer solchen Eleganz, dass sie auf einmal ein Kribbeln im Magen verspürte.
„Entschuldige mich bitte“, sagte sie geistesabwesend und entfernte sich von ihrer Mutter.
„Aber Mr. Nichols …“
Georgiana hörte nicht auf den Einwand ihrer Mutter und mischte sich unter die Menge. Obwohl sie Ashdowne inzwischen wieder aus den Augen verloren hatte, war sie doch froh, ihre liebe Mama und Mr. Nichols hinter sich lassen zu können. Langsam bahnte sie sich ihren Weg durch die Schar der Ballbesucher, schnappte hier und da ein paar Worte auf und beobachtete das Geschehen. Diese Art der Beschäftigung war ihr eine der liebsten, da es immer die Möglichkeit gab, dass sie zufällig etwas vernahm, das zu einem späteren Zeitpunkt wichtig werden konnte. Natürlich kein Klatsch, sondern etwas, das
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