Historical Exclusiv Band 44
nichts über die Aktivitäten des Rates berichtet?“
Sie schluckte, doch ihre Kehle war trocken. „Seit er nach Westminster abgereist ist, habe ich ihn nicht mehr gesehen, Majestät.“
„Im Innenhof habt Ihr genug von ihm gesehen, kurz bevor er abreiste, Lady Solay.“
Sie fühlte sich unbehaglich. Wer hatte aus dem Fenster und direkt in ihr Leben geblickt? „Wir sprachen über andere Dinge, Majestät.“
„Ich hörte, er will neue Anklagen gegen Mitglieder meines Hofstaats erheben“, sagte er und warf einen Blick zu Hibernia. „Stimmt das?“
Sie setzte eine ernste Miene auf und fragte sich, wer sonst noch für den König spionierte. „Ich glaube es, aber er sagte nicht, gegen wen sich das richtet. Ich wollte Majestät keine unvollständigen Informationen bringen.“ Sie wartete ab und hoffte, dass diese Antwort ihn zufriedenstellte.
„Sagte er, welche Anklagen es sein würden?“
Sie schüttelte den Kopf.
„Oder um wie viele Namen es geht?“
„Die Angaben waren nicht sehr genau.“ Wie viele mochte er gleichzeitig anklagen? „Nicht mehr als zwei oder drei, denke ich.“
„Ihr wisst nicht mehr als ich.“ Er sah auf sie hinab, wie sie vor ihm stand mit dem Brief in der Hand. „Ich kann heute keinen Boten entbehren.“
Seine Drohung war deutlich. Wenn sie ihren Teil der Vereinbarung nicht erfüllte, könnte er ihr noch mehr kostbare Dinge wegnehmen.
„Vielleicht sollte ich nach Westminster reisen“, sagte sie und unterdrückte ihren Hass auf diesen Ort. Justin würde sie nicht willkommen heißen, aber hier konnte sie nichts mehr erfahren. „Ich bin sicher, dass ich noch etwas herausfinden könnte.“
„Eine großartige Idee“, mischte Hibernia sich ein.
Natürlich war er dieser Meinung. Wenn sie fort war, könnte er mit Agnes jederzeit das Bett teilen.
Der König nickte. „Fahrt hin. Sie schmieden Pläne gegen mich. Ich weiß es.“ Ein kleines Lächeln erschien auf seinem Gesicht. „Sie meinen, sie hätten die Oberhand, aber all ihre rechtlichen Tricks werden zu nichts führen.“
Sie unterdrückte ein Schaudern und war nicht sicher, ob sie mehr Angst hatte vor dem König oder vor dieser Reise. Aber nun, da sie es versprochen hatte, durfte sie nicht mit leeren Händen zurückkehren. Was konnte sie Justin anbieten, damit er ihr vertraute?
Etwas über den König. Etwas, das er nicht weiß. Etwas, das ihn überzeugen würde, dass ich auf seiner Seite bin.
Einen kleinen Verrat.
Justin rückte näher zum Westfenster, damit das letzte schwache Winterlicht auf das Dokument vor ihm fiel. Durch die Spalten in den Läden sah er Schneeflocken, so schwer wie Regentropfen, zu Boden fallen.
Seit er sicher wieder in Westminster und fern von der Versuchung war, waren seine Tage von fieberhafter Aktivität erfüllt gewesen. Täglich ritten Boten zwischen den beiden Palästen an der Themse hin und her, kehrten zurück aus Windsor mit der Unterschrift des Königs über dem Siegel des Rates. Es war eine endlose Flut von Dokumenten, die nötig waren, um das Reich zu regieren.
Doch selbst diese hektische Betriebsamkeit konnte seine Gedanken nicht von Solay ablenken.
Narr. Du hättest dich von ihr fernhalten sollen.
Ihr Kuss hatte all die Leidenschaft geweckt, die er von Anfang an verspürt hatte, und noch etwas anderes. Das Wissen, dass sie ihm gehören könnte.
Wenn er sich aber von seiner Lust regieren ließ, dann würden sie nicht nur das Bett miteinander teilen, sondern das ganze Leben, und er würde sich abermals verheiratet sehen mit einer unaufrichtigen Frau.
Doch nichts von alledem schien eine Rolle zu spielen, wenn er sie berührte. Einen Moment lang hatte er sogar gehofft, dass ihre Worte und ihr Kuss ehrlich gemeint waren.
Ich liebe Euch. So bedeutungslos wie: Ich sehe gern dem Schnee zu.
Ihr Verhalten weckte in ihm einen bösen Verdacht. Was, wenn ihr Drängen mit einem Kind zu tun hatte? Daran hätte er schon vorher denken sollen. So waren Frauen, das wusste er nur zu gut.
Wieder blickte er auf das Dokument, überrascht, dass seine Feder sich nicht bewegt hatte, und verwirrt, weil er sie nicht aus seinen Gedanken verbannen konnte. Es schien, als röche er den Duft von Rosen, wenn er nur an sie dachte.
Ein Klopfen unterbrach seine Gedanken. „Herein!“, rief er, froh über die Ablenkung.
Auf der Schwelle stand Solay. Der Schnee, den sie so hasste, bedeckte den fließenden roten Samtumhang. Sie hatte die Kapuze zurückgeschoben, und das dunkle Haar fiel ihr bis über die
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