Historical Exclusiv Band 44
bildeten die Ausnahme von der Regel. Die Ehe meiner Mutter diente nur einem Zweck, und das war nicht die Liebe.“
„Wie kam das?“
„Ihr wisst es nicht? Als Rechtsgelehrter würdet Ihr den Fall interessant finden, doch es ist eine längere Geschichte.“
„Erzählt sie mir. Der Weg ist noch lang.“
Sie sah sich um. Der berittene Hofstaat war weitergezogen, die Fußgänger waren zurückgefallen. Niemand konnte sie hören.
„Nach dem Tod des Königs“, begann sie, „behandelte das Parlament sie als ‚femme sole‘, also als für sich allein verantwortlich.“
„Ich weiß, was das bedeutet“, sagte er.
Sie schluckte eine Erwiderung hinunter. „Natürlich sprachen sie sie schuldig, aufgrund einer erfundenen Anklage.“ Nun, da sie die Geschichte erneut erzählte, stieg wieder Ärger in ihr auf.
Er öffnete den Mund, als wollte er widersprechen, dann zuckte er die Achseln. „Es ist Eure Geschichte. Was geschah dann?“
„Das Urteil lautete Verbannung.“ Die Furcht von damals erfasste sie wieder. Ihre Mutter, die vierjährige Jane und sie selbst, damals neun Jahre alt, sollten auf einem Strand in Frankreich zurückgelassen werden, ganz ohne jede Habe, der Gnade vierbeiniger Raubtiere ausgeliefert. Oder zweibeiniger. „In diesem glücklichen Moment erschien Weston wieder und nahm sie als seine Frau auf.“
„Hatte er einen Beweis?“
„Welchen Beweis brauchte er? Niemand widersprach ihm, am wenigsten meine Mutter. Als seine Frau gehörten ihr Leben und alles, was sie besaß, ihm. Das Parlament lieferte ihm umgehend ihren Besitz und sie selbst aus. Er hatte den Besitz, wir unser Leben, und er verschleuderte fröhlich alles, was wir besaßen, und noch mehr, ehe er starb.“
Ihre Mutter hatte immer gesagt, dass es ein fairer Handel war, ohne jemals zu verraten, ob Westons Erscheinen seine Idee gewesen war oder ihre. Sicher war nur, dass keine Liebe im Spiel gewesen war.
Stirnrunzelnd schüttelte er den Kopf. „Bei so einem Beispiel wundert es mich, dass Ihr überhaupt heiraten wollt.“
„Was soll eine Frau sonst tun? Die einzigen Frauen, die nicht den Männern dienen, sind jene, die Gott dienen, und selbst Er verlangt eine Mitgift.“ Ehefrau, Nonne, Dirne. Das waren ihre Wahlmöglichkeiten. „Eine Frau muss einem Mann gefallen oder vielen.“
Wieder brachte er ihr Pferd zum Stehen, beugte sich vor und sah sie an. „Seht mich an und versteht, Solay. Eine Ehe ist kein Spiel. Sollte ich mich entscheiden, Euch zu heiraten, so werdet Ihr nur einem Mann zu Gefallen sein, einem allein.“
Ihren Körper hatte sie ihm schon enthüllt, doch sein Blick verlangte mehr. Es war, als wollte er ihr geheimes Selbst bloßstellen, die empfindsamen Teile ihres Wesens, die sie niemals jemandem offenbaren würde.
„Die Ehe ist für mich kein Spiel.“ Sie sah ihn an und versuchte zu verbergen, wie sehr ihre Hände zitterten. Aus irgendeinem Grund hatte sie sich nie damit auseinandergesetzt, was es bedeuten mochte, ihr Leben lang an diesen Mann gebunden zu sein. „Es ist eine Angelegenheit von Leben und Tod.“
Sie entzog ihm ihre Zügel und ritt weiter in der Hoffnung, dass sie eine Möglichkeit finden würde, einer Heirat mit diesem furchteinflößenden Mann zu entgehen.
Der Wind trieb ihr Agnes’ Lachen zu, das ihr in den Ohren kitzelte.
14. KAPITEL
I n der darauffolgenden Nacht lag Solay wach in einem der Gästezimmer einer überfüllten Abtei, lauschte auf das Schnarchen in ihrer Umgebung und dachte nach über Justins Worte.
Ihr werdet nur einem Mann zu Gefallen sein, einem allein.
Da sie eine Frau war, war ihr Körper ihre einzige Waffe. Alles ging um Versprechungen. Geschickt eingesetzt, verhüllt und entblößt, konnte sie locken und necken, bis sie bekam, was sie wollte.
Aber dieser Mann hier hatte sich ihr widersetzt, als befürchtete er, dass die körperliche Vereinigung ihn mit einem Zauber belegen würde. Als ginge es bei dem Akt um mehr als um die Befriedigung eines Bedürfnisses. Natürlich wusste sie, dass das Verlangen einen um den Verstand bringen konnte, aber wenn es gestillt war, wäre das nicht alles?
Neben ihr bewegte sich Agnes auf der Strohmatratze.
„Seid Ihr wach?“, fragte Solay flüsternd.
„Jetzt bin ich es“, murmelte sie.
„Wie ist es, wenn Ihr und – ich meine, wenn Ihr …?“ Sie wusste nicht, wie sie die Frage stellen sollte. „Ist er Eurer noch nicht überdrüssig geworden?“
„Wir begehren einander jeden Tag mehr“, sagte Agnes mit einem Seufzer,
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