Historical Exklusiv Band 36
Ich mache mich auf den Weg zur Schenke.“ Er verneigte sich vor Catherine und bedachte sie mit einem süffisanten Lächeln. „Es war mir eine Ehre, Lady Caldbeck. Ihr sehr ergebener Diener.“ Er schwang sich in den Sattel und galoppierte davon.
Catherines Augen funkelten vor Zorn, als sie Charles anfuhr. „War das sein Ernst … habe ich ihn richtig verstanden? Er hat sich an eine junge Frau herangemacht, und als sie nichts von ihm wissen wollte, hat er sie geschlagen?“
„Vermutlich. Sein Verhalten gegenüber Frauen ist nur eine seiner vielen Unzulänglichkeiten.“
„Kannst du denn nichts dagegen unternehmen?“
„Nur wenn einer meiner Leute – oder sonst jemand – sich über ihn beschwert. Eines Tages treibt er es zu weit und wird zur Rechenschaft gezogen.“
„Wie kannst du ihn nur ertragen?“
„Es fällt mir in der Tat sehr schwer.“
Daraufhin ließ Catherine sich von ihm zurück zu den Pferden führen. „Nun gut, wenn Richard ihm eine Einladung zu meinem Empfang geschickt hat, werde ich ihm sagen, dass er sie rückgängig machen soll!“
„Nein, Catherine. Das wirst du nicht tun.“
„Was soll das heißen, das wirst du nicht tun?“ Sie blieb stehen und Charles ebenfalls.
Seine Stimme klang sanft. „Ich sehe ihn auch nicht gern in meinem Heim, aber ebenso wenig will ich Streit mit ihm haben. Er ist sowohl ein Nachbar als auch ein Verwandter.“
„Deshalb soll ich also auch seine Grobheiten ertragen?“ Entrüstet verschränkte Catherine die Arme, und ihre Miene verhieß nichts Gutes. Behutsam drängte Charles sie zum Weitergehen und fuhr fort, ohne auf ihren Einwand einzugehen. „Außerdem möchte ich nicht, dass du ihn dir zum Feind machst. Er kann sehr nachtragend sein, Catherine.“
„Aber er würde es doch nicht wagen …“
„So gern ich glauben möchte, dass meine Gegenwart ihn davon abhalten würde, dir Schaden zuzufügen, kann ich nicht sicher sein, dass er sich unter Kontrolle hat, wenn er betrunken ist. Du hast ja gehört, dass Ritterlichkeit für ihn ein Fremdwort ist.“
„Genauso wie gute Manieren! Wie unverschämt er war! Und wie abfällig er über das Mädchen geredet hat. Es scheint ihm überhaupt nichts auszumachen, dass er sie verletzt hat – oder was immer er mit ihr gemacht hat.“
„Nein. Für ihn zählt nichts außer seinen Begierden. Aber mach dir nicht zu viele Gedanken. Er wird wahrscheinlich gar nicht zum Empfang kommen. In vornehmer Gesellschaft langweilt er sich zu Tode. Wenn du jedoch die Einladung zurücknimmst, kannst du sicher sein, dass er erscheint, und ich wäre gezwungen, ihn hinauswerfen zu lassen – ein peinliches Schauspiel für alle Beteiligten.“
„Und das ist alles, was du zu tun gedenkst?“ Catherine verzog angewidert das Gesicht.
„Zuerst einmal, ja.“ Es klang unnachgiebig.
Der Earl of Caldbeck betrachtete das Gespräch als beendet.
Während des Essens bemühte sich Catherine, höflich zu schweigen, und ließ sich nur aus der Reserve locken, wenn sie nicht umhinkam, Fragen zu beantworten. Sie war es nicht gewohnt, dass ein anderer das letzte Wort hatte. Eigentlich war sie sich noch immer nicht darüber im Klaren, was ihr mehr verhasst war – Charles’ arrogantes Verhalten oder ihr Unvermögen, damit umzugehen.
Für gewöhnlich ließ sie sich nicht so schnell einschüchtern. Dieser Zustand war ja kaum noch zu ertragen. Bald jedoch würde der Tag der Abrechnung kommen, und dann konnte sich Charles Randolph auf etwas gefasst machen!
Wie er so ruhig in Lonsdales Gegenwart hatte bleiben können, verstand Catherine einfach nicht. Seine frechen Bemerkungen wären Grund genug für ein Duell gewesen. Aber nicht für Charles Randolph, den Earl of Caldbeck. Ganz und gar nicht! Seine Lordschaft war ja so erhaben. Was kümmerten ihn die anderen Menschen. Es war unerträglich, wie wütend er sie machte.
Catherines üble Laune wurde am nächsten Tag auch nicht besser, als sie nur wenige Antworten auf die Briefe erhielt, mit denen sie um Unterstützung für ihre Londoner Projekte geworben hatte – ausschließlich höfliche Absagen. Die verschiedenen Gentlemen lobten dies oder jenes Projekt in den höchsten Tönen, aber das war auch schon alles.
Waren diese Leute nicht imstande zu begreifen, dass in London jeden Tag Kinder auf der Straße starben? Selbst wenn sie ihr Erbe bekommen hätte, wäre sie nicht in der Lage gewesen, allein alle zu retten. Catherine überlegte, ob sie das Problem mit Charles besprechen sollte,
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