Historical Exklusiv Band 36
zwischen Verärgerung über seine Ansichten zur Schulbildung und dem Wunsch, bloß den Mund gehalten zu haben. Nie hätte sie gedacht, dass sie ihn verletzen könnte, aber genau das schien jetzt geschehen zu sein. Das hatte sie nicht gewollt. Sie seufzte. Verheiratet zu sein war schwieriger, als sie gedacht hatte.
Plötzlich sah Catherine, wie ein Reiter in den Hof trabte. Sie fragte Charles, wer dies sei.
„Es sieht so aus, als würdest du gleich das Vergnügen haben, die Bekanntschaft des Earl of Lonsdale zu machen.“
Catherine versuchte durch einen schnellen Blick in sein Gesicht herauszufinden, ob das sarkastisch gemeint war. Seiner undurchdringlichen Miene konnte sie jedoch nichts entnehmen. Sie verzog das Gesicht. „Wenn du Helens Stiefsohn meinst, ist das wohl ein Vergnügen, auf das ich gern verzichten würde.“
„Ohne Frage.“ Charles wartete schweigend, bis der große dunkelhaarige Reiter den Stall erreicht hatte und absaß. In dem raubvogelartigen Gesicht des jungen Mannes waren unschwer die Anzeichen eines ausschweifenden Lebenswandels zu erkennen.
Er kam näher, führte sein Pferd am Zügel und deutete eine Verbeugung an. „Ihr Diener, Caldbeck. Es entspricht also tatsächlich der Wahrheit, dass du dein Geld für Waisenkinder zum Fenster hinauswirfst. Ich hätte dich nicht für einen solchen Toren gehalten. Aber wie ich sehe, sind die Geschichten, in denen die Schönheit deiner Gemahlin gerühmt wird, nicht übertrieben. Würdest du die Güte haben, mich vorzustellen?“
Charles nickte. Seine Miene war ausdruckslos. „Catherine, das ist Vincent Ingleton, der Earl of Lonsdale.“
Nur widerwillig gab Catherine ihm die Hand. Vincent führte sie zu seinen Lippen, griff aber viel zu fest zu und hielt sie zu lange. Catherine versuchte, sie vorsichtig zurückziehen, aber er ließ ihre Hand erst los, als ihr Gesicht vor Verlegenheit gerötet war.
Zufrieden grinsend meinte er zu Charles: „Jetzt verstehe ich, warum du sie hier in deinem Haus versteckt hast. Viel zu hübsch, um sie aus den Augen zu lassen.“
Catherine erstarrte, aber Charles ging überhaupt nicht auf diese Provokation ein. „Bist du schon lange in Yorkshire, Vincent? Ich dachte, du wärst in London.“
Vincent verzog spöttisch den Mund. „Ich war gezwungen, zum Haus meiner Väter zurückzukehren. Es herrscht Ebbe in der Kasse.“
„Ah, wegen der Rennen, nehme ich an. Also willst du auf dem Land leben. Weißt du schon, wie lange du bleibst?“
An Charles’ Miene war nicht zu erkennen, was er von seinem angeheirateten Neffen hielt, geschweige denn, ob ihn dessen Pläne überhaupt interessierten.
„Gütiger Himmel, ich hoffe nicht! In dieser verfluchten Einöde halte ich es nicht lange aus“, antwortete Vincent und rieb sich die Wange. „Hier ist man doch lebendig begraben.“
Catherine, der die Grobheit des Mannes die Sprache verschlagen hatte, betrachtete ihn genauer. Das verkommene Gesicht war durch mehrere lange und tiefe, nur halb verheilte Kratzwunden verunziert. „Gott bewahre“, entfuhr es ihr, „was ist denn mit Ihrem Gesicht passiert?“
Vincent fauchte sie an. „Törichtes Ding!“
Catherine fühlte sich wie betäubt, aber Charles sagte nur in kühlem Ton zu seinem Neffen: „Da ich annehme, dass selbst du Lady Caldbeck in meiner Gegenwart nicht auf eine solche Weise anreden würdest, gehe ich davon aus, dass du jemand anders meinst!“
„Sie hätte sich nicht so anstellen sollen.“
„Soll das bedeuten, dass das Mädchen Einwände dagegen hatte, nicht bezahlt zu werden, oder besaß sie tatsächlich die Unverschämtheit, nicht von deinem Charme hingerissen zu sein?“ Fast unmerklich hatte sich Charles’ Tonfall geändert und drückte tiefste Verachtung aus.
„Nun ja. Sie wollte sich erst lange bitten lassen.“ Vincent schien Charles’ Verachtung überhaupt nicht wahrzunehmen. „Aber sie hat ein Andenken von mir bekommen. Es wird eine Weile dauern, bevor sich wieder ein Mann nach ihr umdreht.“
Wut stieg in Catherine auf. „Sie – Sie wollen damit sagen, sie hat Sie abgewiesen und Sie … Sie …!“
Sie sprach nicht weiter, denn Charles hatte ihr den Arm um die Taille gelegt, um sie zu beruhigen. „Dies ist wohl kaum ein angemessenes Thema für die Ohren meiner Frau, Lonsdale. Außerdem müssen wir vor Einbruch der Dunkelheit nach Wulfdale zurückkehren.“
„Wir dürfen ihr Zartgefühl nicht verletzen, nicht wahr?“ Vincent lachte höhnisch. „Auch gut. Ich komme um vor Durst.
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