Historical Exklusiv Band 36
ließ es aber wegen der angespannten Situation lieber bleiben. Wahrscheinlich war es auch besser so.
Der Empfang rückte immer näher, und es gab noch mehr als genug zu tun. Catherine wurde warm ums Herz, wenn sie an ihren großen Auftritt als Herrin von Wulfdale in ihrem eigenen Heim dachte. Dass Wulfdale auf eine lange, Ehrfurcht gebietende Geschichte zurückblickte und der Hausherr Träger eines sehr alten Titels war, bestärkte sie noch in ihrem Stolz. Vielleicht sollte sie sich wegen ihrer Eitelkeit schämen, aber Bescheidenheit war nun einmal nicht ihre Stärke.
Am Abend des Empfangs herrschte klares, frostiges Wetter, und die Auffahrt war in helles Mondlicht getaucht. Catherine saß vor dem Spiegel und bewunderte das zauberhafte Saphircollier, das Sally ihr gerade um den Hals gelegt hatte.
Die Steine funkelten im Kerzenlicht und betonten ihre strahlenden Augen. Bei ihrem Lieblingsschneider hatte sie ein Kleid passend zu den Juwelen in Auftrag gegeben, und sie war hingerissen von dem Resultat.
Die zarte Haut ihres Dekolletés war eingerahmt von blauer Seide, die Falten so drapiert, dass sie sich über den bloßen Schultern bauschten und die Form der Brüste betonten. Darunter lag der hauchdünne Stoff eng am Körper und umspielte sanft ihre Hüften. Weinlaubmotive in feinster Perlenstickerei zierten den Rock und besonders üppig den Saum der Robe. Sally steckte Catherines flammend rote Haarpracht zu einer festlichen Frisur auf.
Gerade waren die beiden dabei, ihr Kunstwerk zu bewundern, da öffnete Charles die Tür und trat ein, elegant in Grau gekleidet. Der Satinrock und die Kniehosen schimmerten silbern im Kerzenschein ebenso wie sein glatt zurückgekämmtes Haar. Er blieb stehen und betrachtete Catherine schweigend, bis Sally den Raum verlassen hatte. Viel zu aufgeregt, um daran zu denken, dass sie eigentlich über ihn verärgert war, stand Catherine auf und drehte sich im Kreis.
„Wie gefällt dir mein Kleid? Bringt es die Saphire nicht perfekt zur Geltung?“
Charles nickte. „Ja, ganz gewiss – genau wie deine Augen. Ich wusste, dass Saphire das Richtige für dich sind.“
Er betrachtete sie nun genauer, blieb aber schweigsam.
Allmählich begann Catherine, sich unter seinen strengen Blicken unbehaglich zu fühlen. „Ist etwas nicht in Ordnung, Charles?“
„Das Kleid ist sehr tief ausgeschnitten.“
Catherine stieg das Blut in die Wangen. „Nun ja … gewiss. Ja, natürlich ist es das. So ist es jetzt modern. Gefällt es dir nicht?“
„Es gefällt mir an sich sehr gut … hier im Zimmer. Im Ballsaal dagegen …“ Charles zögerte kurz, ehe er weitersprach: „… vielleicht nicht. Es ist recht offenherzig.“
Catherine spürte, wie ihre Verärgerung wieder die Oberhand gewann. Das hatte gerade noch gefehlt, dass dieser Mann ihr auch noch vorschrieb, wie sie sich kleiden sollte. „Nun ja, jetzt ist wohl nichts mehr daran zu ändern. Unsere Gäste treffen jeden Moment ein.“
Charles blickte einige Sekunden lang stumm in ihr trotziges Gesicht, dann verneigte er sich. „So ist es.“
Er bot ihr seinen Arm, und Catherine legte leicht ihre Hand darauf, während sie ihm einen hochmütigen Blick zuwarf. Sie hatte keine Ahnung, warum er die Sache auf sich beruhen ließ. Wenn er verstimmt war, so war davon genauso wenig zu spüren wie sonst. Zusammen schritten sie die Treppe zum Ballsaal hinunter.
Die Gärtner von Wulfdale hatten die Gewächshäuser leer geräumt, um die Säle für das Fest zu schmücken. Auch aus den Gärten waren einige Blumen zur Zierde geholt worden. Bei den Erfrischungen hatten sich Mrs Hawes und der Koch selbst übertroffen. Die Auswahl an Weinen aus den Kellern von Wulfdale, die Charles und Hawes getroffen hatten, zeugte vom Geschmack und Wohlstand des Earl of Caldbeck. Das wird ein unvergesslicher Abend, dachte Catherine ein wenig selbstgefällig.
Wie recht sie haben sollte.
Die Nachbarn von Wulfdale würden sich wohl kaum diese Gelegenheit entgehen lassen, das prächtige Heim des Earl und der Countess of Caldbeck zu besuchen. Als Catherine zufrieden ihre Blicke über die eintreffenden Gäste schweifen ließ, konnte sie nicht umhin, sich an die bange Erwartung zu erinnern, die sie früher so oft bei ihren Versuchen empfunden hatte, Spender für ihre wohltätigen Unternehmungen zu gewinnen.
Wird überhaupt jemand kommen? hatte sie früher oft gedacht. Oftmals waren tatsächlich nur sehr wenige Gäste erschienen. Diese Sorge war sie nun ein für alle Mal los.
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