Historical Exklusiv Band 36
besessen von der Vorstellung, dass das Leben des Mädchens nur noch an einem seidenen Faden hing. Und sie selbst hatte sie hierher gebracht – in Gefahr.
Catherine griff nach ihrer Pistole, eilte quer durch den Raum in ihr Ankleidezimmer und warf sich einen Umhang über. Auf dem Rückweg durch den Salon winkte sie James Benjamin heran, der wie erstarrt dastand. „Komm schon!“
„Mylady! Mylady tun Sie nichts Unüberlegtes!“ James Benjamin blieb nichts anderes übrig, als hinter ihr her aus dem Zimmer zu eilen. Catherine ließ sich nicht aufhalten, schon gar nicht von den entsetzten Blicken der Lakaien auf dem Flur, die sich nicht einig waren, ob sie ihr folgen sollten.
Als sie sich endlich dazu entschlossen hatten, waren Catherine und James Benjamin, der sie immer noch anflehte, stehen zu bleiben, schon bei der Seitentür angekommen, die zu den Ställen führte.
Im Hof vor den Stallungen gelang es James Benjamin endlich, Catherine zu überholen und sich ihr in den Weg zu stellen. „Mylady! Wo wollen Sie hin? Seine Lordschaft …“
„Geh zur Seite, James Benjamin.“ Catherine schob ihn weg und hetzte weiter. „Wir reiten zum Waisenhaus.“ Er eilte hinter ihr her in den Stall. „Sattle mein Jagdpferd. Beeil dich!“
Endlich sah James Benjamin eine Möglichkeit, diesem Wahnsinn ein Ende zu machen. „Nein, Mylady. Das werde ich nicht tun.“
„Auch gut. Dann mache ich es eben selbst.“ Schon hatte Catherine einen Damensattel auf einem Heubund entdeckt, steckte die Pistole in die Tasche ihres Umhanges, packte den Sattel und schleppte ihn in die Richtung, wo ihr Pferd stand.“
„Nein, Mylady! Sie werden sich verletzten.“ James Benjamin versuchte, ihr den schweren Sattel zu entreißen, aber Catherine schubste ihn zur Seite.
Trotz der Ermahnungen Seiner Lordschaft musste James Benjamin wohl oder übel einsehen, dass ein Ringkampf mit einer Countess nicht zu seinen Aufgaben gehörte. Nicht einmal, wenn aus dem Stallburschen ein Leibwächter geworden war. Leise fluchend gab er auf. „Mylady! Das ist zu schwer. Es schadet dem ungeborenen Kind.“
Sie gab keine Antwort, mühte sich jedoch verbissen weiter mit dem Sattel ab. James Benjamin sah ein, dass sein Protest zu nichts führte. Aber weil er um ihre Gesundheit fürchtete, packte er schließlich den Sattel und warf ihn der Stute über den Rücken. Doch er wollte verdammt sein, wenn er noch einen Handgriff mehr täte.
Er verschränkte die Arme und lehnte sich gegen die Wand. Seine Herrin plagte sich mit dem Sattelgurt und schaffte es endlich, ihn zu befestigen. Dann führte sie das Jagdpferd aus der Box zum Aufsitzblock. James Benjamin eilte hinterher.
„Nein, nein, Mylady. Der Gurt sitzt nicht fest genug. Sie werden stürzen.“
Voller Verzweiflung zog er den Gurt richtig fest, während Catherine auf den Block stieg und sich in den Sattel schwang.
„Komm schon, James Benjamin! Wir haben keine Zeit zu verlieren. Sattle ein Pferd und komm mit. Beeil dich!“ Geschickt wich Lady Caldbeck ihrem Stallburschen aus, der mit einem Satz nach vorn versuchte, ihr die Zügel aus der Hand zu reißen, und verschwand im Galopp in der Dämmerung.
Laut fluchend rannte James Benjamin zurück in den Stall. Seine Lordschaft würde ihn langsam über dem Feuer rösten, wenn Lady Caldbeck etwas zustieße. Er hielt sich nicht damit auf, nach einem Sattel zu suchen. Er hatte sein halbes Leben auf dem Rücken der Pferde verbracht. Er brauchte keinen.
Mit ein paar Sätzen war er bei der nächstbesten Box angekommen und zog einen widerstrebenden grauen Hengst heraus, die neueste Errungenschaft seines Herrn. Das Pferd hatte sich noch nicht an den fremden Stall gewöhnt und war alles andere als gut gelaunt.
Aber es war pfeilschnell.
Der Stallbursche griff in die Mähne des Pferdes und schwang sich auf dessen Rücken. Solch eine respektlose Behandlung widerstrebte dem majestätischen Hengst, und er bäumte sich auf, ehe James Benjamin richtig Halt gefunden hatte. Der Stallbursche glitt nach hinten über die Kruppe des Pferdes, hielt aber hartnäckig das Halfter umklammert, was den Grauen jedoch nur noch mehr in Rage brachte.
Abermals bäumte er sich auf und schleuderte James Benjamin gegen die Box, sodass dieser mit dem Kopf gegen einen Pfosten prallte und auf dem Boden zusammensackte, während das Pferd davongaloppierte.
„Verdammter Gaul!“ James Benjamin war gleich wieder auf den Beinen, doch ihm wurde schwarz vor Augen und er verlor das Bewusstsein.
Wo
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