Historical Exklusiv Band 42
schlechten Gewissen aufgewacht ist, weil er sich dunkel daran erinnert hat, dass er die Nachricht nicht überbracht hat. Ich werde auf dem Weg in meinen Club sein, um meinen Kater zu vertreiben.“
Folgsam zog Talitha sich in ihr Versteck zurück und kuschelte sich in die Kissen, während Nick sich wusch und rasierte. Es war alles sehr interessant. Es hörte sich so an, als würde er dabei leise vor sich hin singen, in einem angenehmen Tenor. Das Lied, das er sang, klang äußerst unsittlich, was ihm wohl bei der zweiten Strophe auffiel, da er abrupt abbrach und etwas Harmloseres anstimmte.
Talitha lauschte den Geräuschen beim Rasieren, dem Wetzen des Rasiermessers, dem Schlagen der Seife zu Rasierschaum, dem erstickten Summen, in das das Lied sich jedes Mal verwandelte, wenn er das Messer ansetzte, das Ausschlagen des Pinsels.
Gegen Ende dieses Rituals kehrte Matthews aus dem Ankleidezimmer zurück, um eine ernsthafte Diskussion darüber zu führen, welche Kleidung an diesem Morgen angebracht sei. Der Kammerdiener zeigte sich enttäuscht von der Wahl des Jacketts, ließ sich jedoch durch ein Kompliment bezüglich des Zustandes der Stiefel besänftigen.
„Ich gehe jetzt“, erklärte Nick schließlich. „Matthews wird sich um dich kümmern. Setz bitte bloß keinen Fuß vor diese Tür!“
Sie schloss sich hinter ihm, und Matthews bemerkte: „Im Krug befindet sich frisches, heißes Wasser, Miss, und ich habe mir erlaubt, die Seife seiner Lordschaft durch eine femininere Sorte zu ersetzen. Handtücher liegen auf dem Stuhl. Haben Sie noch weitere Wünsche? Es wäre wohl unklug zu läuten. Ich komme in dreißig Minuten wieder in das Ankleidezimmer und klopfe an. Sollten Sie dann doch noch etwas benötigen, werde ich es für Sie besorgen.“
Talitha kletterte aus dem Bett und stürzte sich begeistert auf das heiße Wasser und die weichen Handtücher. Ihre Füße waren schwarz; was mochten wohl die Waschfrauen denken, wenn sie Nicks Bettzeug in die Mangel nahmen? Sie zog den Morgenmantel aus und versuchte, ihren Rücken im Spiegel zu betrachten. Die verkrustenden Abschürfungen fühlten sich furchtbar an, doch es sah vermutlich schlimmer aus, als es war. Keine bleibenden Schäden.
Bis auf die Schäden an ihrem Herzen. Wenn sie zuvor nur geglaubt hatte, Nicholas Stangate zu lieben, so war sie jetzt davon überzeugt. Er war mutig, stark, intelligent, amüsant, und bei der Berührung seiner Finger wurde sie zu Wachs. Doch all diese Dinge waren es nicht allein, was diesen Mann ausmachte. Er war mehr als die Summe seiner Eigenschaften, und sie liebte ihn.
Es schien, als würde er ebenfalls etwas für sie empfinden, genug zumindest, dass er ihr stets aus den Schwierigkeiten half, in die sie sich brachte. Und das, obwohl er dabei schließlich hatte entdecken müssen, dass ihr Geheimnis genau so skandalträchtig war, wie er vermutet hatte.
Talitha erlaubte sich, ein wenig zu träumen, dann ließ sie wieder Vernunft walten. Sie war Protegé seiner Tante – natürlich würde er sich darum bemühen, Lady Parry Sorgen und Peinlichkeiten zu ersparen und den Ruf der Familie zu schützen.
Sie zog sich den Morgenmantel wieder an und wanderte durch das Zimmer, das ihr Nicks wahres Wesen offenbarte. Sie öffnete weder Schubladen noch Schränke, sah sich lediglich die Bilder an den Wänden an, die Bücher auf den Regalen, die achtlos hingeworfenen Banknoten, die Einladungen, das Siegel und die Uhrkette auf der Frisierkommode.
Es war ein gemütlicher, maskuliner, sehr persönlicher Raum. Einige der Bücher und Bilder machten den Eindruck, schon lange im Familienbesitz zu sein. Sie stammten vermutlich von seinem Landsitz. Andere wiederum waren neueren Datums, wie zum Beispiel das Ölgemälde über dem Kamin, zu dem es sie immer wieder hinzog. Es handelte sich um eine Landschaft, die auf den ersten Blick unfertig aussah, erst bei längerem Hinsehen machte auf einmal alles Sinn. Es war irgendwie verstörend. Sie trat näher und las die Signierung des Künstlers. Turner. Der Name sagte ihr nichts und sie beschloss, Mr Harland danach zu fragen.
Als Nick zurückkehrte, saß sie eingerollt auf einem der Stühle. Nackte Füße lugten unter dem Morgenmantel hervor, und die Reisebeschreibungen eines Mitglieds der Ostindischen Gesellschaft lagen aufgeschlagen auf ihrem Schoß.
Er schloss die Tür hinter sich und lehnte sich gegen die Wandvertäfelung. Mit einem leisen Lächeln betrachtete er sie.
„Was ist los?“ Plötzlich hatte
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