historical gold 036 - Der Flug des Falken.doc
ein gefangenes Raubtier lief er im Räume hin und her und versuchte, des inneren Aufruhrs Herr zu werden.
Wieder sah er das von Abscheu erfüllte Gesicht seiner Gattin vor sich, als sie erfuhr, dass sie mit ihm vermählt war. Noch immer hallte ihm in den Ohren, wie entsetzt sie die Tatsache abgestritten hatte, obgleich sie noch kurze Zeit vorher so voller Leidenschaft gewesen war.
Sie erschien ihm wie gespalten, einerseits liebevoll und anschmiegsam, andererseits unbeugsam und von einem unbezähmbaren Drang nach Freiheit erfüllt. Die eine wie die andere Meriel hatte er geliebt, den von Hass gegen ihn geprägten Menschen ebenso wie das Mädchen, das sich ihm vertrauensvoll und mit zärtlicher Hingabe schenkte.
Gott um Rat und Beistand anzuflehen, fühlte er sich nicht in der Lage. Um was hätte er auch beten sollen? Der Allmächtige hatte ihm Meriel genommen. Warum sollte er gnädig sein und sie ihm wiedergeben?
Unfähig, Ruhe zu finden, schritt Adrian rastlos auf und ab und machte sich die schwersten Vorwürfe. Ein Knappe kam mit einem Windlicht, zündete die Wachsstöcke an und zog sich, verschreckt durch das finstere Gesicht des Burgherrn, hastig zurück.
Stille senkte sich über Warfield Castle, doch noch immer war es Adrian nicht gelungen, mit sich selbst ins reine zu kommen. Ein Geräusch riss ihn aus der Versunkenheit, und plötzlich sah er die Katze auf das Lager springen. Sie schnupperte an dem seidenen Bettüberwurf, miaute kläglich und setzte sich dann, den Blick auf Adrian gerichtet, auf die Decke.
„Meriel kommt nicht zurück", murmelte er traurig.
Galam beobachtete ihn ein Weilchen, hob dann die rechte Vorderpfote und bega nn sich zu putzen.
Die Anwesenheit des Kätzchens hatte Adrian jedoch aus der Benommenheit gerissen, und unversehens klärte sich sein Verstand. Gefasst überlegte er, was nun zu tun sei.
Ihn würde Meriel nicht vermissen, aber Galam und den Falken. Gewiss war sie zu ihrem Bruder nach Avonleigh geritten. Hoffentlich traf sie dort unbeschadet ein. In ihrer Verwirrung und Verstörtheit war es gut vorstellbar, dass sie sich verirrte und vielleicht in Schwierigkeiten geriet.
Erschöpft ließ Adrian sich auf einen Faltsessel fallen und rieb die schmerzenden Schläfen.
Ein Mann starb nicht vor Kummer oder Schuldgefühlen, ganz gleich, wie sehr er sich den Tod auch wünschen mochte. Das Leben ging weiter, und viele Aufgaben harrten der Entscheidung.
Jäh kam Adrian ein Gedanke. Er war nicht gezwungen, bis an das Ende seiner Tage ein weltliches Dasein zu führen. Noch war es nicht soweit, einen solchen Entschluss zu fassen, aber die Möglichkeit, sich ins Kloster zurückziehen zu können, gab ihm Trost und Zuversicht.
Die Lider wurden ihm schwer, und als er sie wieder aufschlug, drang bereits die Morgenröte durch die Fenster. Er fühlte sich unausgeschlafen und zerschlagen. Gähnend reckte er sich, stand auf und ging in das Ankleidezimmer. Vom kalten Wasser erfrischt und umgezogen, kehrte er in das Gemach zurück und sah Margery vor sich stehen.
„Braucht Mylady mich nicht?" erkundigte sie sich erstaunt.
Adrian wusste, er konnte die Abwesenheit seiner Gattin nicht verheimlichen, und antwortete leichthin: „Keine Angst! Ich habe sie nic ht umgebracht. Sie ist nur zu ihrem Bruder gereist."
Die Magd machte große Augen, erwies dem Earl of Shropshire die Reverenz und eilte aus dem Raum.
Adrian ließ den Vogt zu sich kommen und trug ihm auf, mit einer Schwadron Gerüsteter die Umgebung zu durchstreifen und nach der Countess zu forschen, die er bei der Jagd aus den Augen verloren hatte. Dann bestellte er Walter of Evesham zu sich und bat ihn mit der gleichen Begründung, ihm mit einer Schar Reisiger bei der Suche nach Meriel zu helfen.
Lambert of Nesscliff, sein Seneschall, teilte ihm auf Befragen mit, er wisse, wo Avonleigh sich befände und beschrieb ihm den Weg. Nach dem Morgenbrot brach er unverzüglich auf und erreichte nach scharfem Ritt den Gutshof am späten Nachmittag.
Alan de Vere empfing den Schwager mit feindseliger Mie ne. „Was ist dein Begehr?"
erkundigte er sich schroff, wand te dem Earl of Shropshire den Rücken zu und starrte aus dem Fenster.
Das brüske Verhalten des Ritters wunderte Adrian de Lancey nicht. „Ist Meriel hier?"
fragte er unumwunden.
Überrascht drehte ihr Bruder sich um. „Eigentlich solltest du wissen, wo deine Gemahlin sich aufhält!" entgegne te er kühl.
„Ich beschwöre dich, mir die Wahrheit zu sagen", bat Adrian
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