historical gold 036 - Der Flug des Falken.doc
auch dreißig?"
Aaron sprang auf und lief zum Vater, dem aus einer klaffenden Wunde das Blut über die Wange rann. Auf den Sohn gestützt, antwortete Benjamin l'Eveske bedächtig: „Für mein Leben und das aller mir Anvertrauten, bis hin zum letzten Mitglied meines Haushaltes, würde ich mein gesamtes Eigentum hergeben. Aber es ist nicht so groß, wie du annimmst. Ich könnte ..." Er unterbrach sich und schien zu rechnen. „Ja, zehntausend für den Anfang wären möglich, und dann noch einmal den gleichen Betrag, wenn meine übrigen Besitztümer veräußert sind."
„Wohlan!" knurrte Guy de Burgoigne mürrisch. „Nach der ersten Hälfte lasse ich dein Gesinde frei, nach der zweiten dich, dein Weib und deine Brut."
Unbehaglich wurde Meriel sich bewusst, dass der Marschall des Earl sie nachdenklich anstarrte. Unsicher, was sein Blick zu bedeuten habe, wich sie langsam in die Schar der Bediensteten zurück und hoffte, für eine Magd gehalten zu werden.
„Danke!" raunte Sarah l'Eveske ihr zu, ergriff ihre Hand und drückte sie herzlich. „Nur dein mutiges Einschreiten hat Aaron und vielleicht uns alle vor dem Tode bewahrt."
„Aber zu welchem Preis!" flüsterte Meriel.
„Was nutzt alles Gold der Welt, wenn man unter der Erde liegt?" erwiderte Sarah achselzuckend. „Verhungern werden wir nicht. Wir haben Freunde, die für uns sorgen." Sie ließ Meriel los, ging zu ihrem Mann und begann, ihm mit einem Zipfel ihres langen Schleiers das Blut abzutupfen.
„Also los, gehen wir!" befahl Guy de Burgoigne.
„Du hast ein viel kostbareres Pfand als diese Juden in der Hand", sagte Vincent de Gembloux, sah Meriel grinsend an und zerrte sie aus dem Kreis des Gesindes. „Diese unscheinbare Schlampe, Mylord", fügte er in triumphierendem Ton hinzu, „ist Warfields Gemahlin!"
„Wer bist du?" fragte der Earl of Shropshire ungläubig, fasste sie unter das Kinn und zwang sie, ihn anzuschauen. „Was hätte eine adlige Dame bei dem Judenpack zu schaffen?
Ach was, sie ist nur eine Magd!"
„Nein", widersprach Vincent de Gembloux. „Ich habe sie kurz vor ihrer Vermählung mit Warfield in Shrewsbury gesehen und mich schon damals gefragt, warum er sich keine standesgemäße Braut erwählte. Zudem ist mir vorhin ein Rotfuchs aufgefallen, der ganz dem Tier gleicht, das sie seinerzeit geritten hat. Es gibt keinen Zweifel. Das ist Warfields Gattin.
Frag sie doch!"
Brutal drückte der Earl die Finger um Meriels Kinn. „Re de endlich, Weib!" herrschte er sie an. „Bist du das wirklich?"
Meriel wollte leugnen, besann sich indes eines Besseren. Sie war eine schlechte Lügnerin und hätte, sollte man sie quälen, die Wahrheit nie verschweigen können. Außerdem bestand die Gefahr, dass Benjamin l'Eveske, Sarah oder sein Sohn auf der Folter verhört wurden, und das mochte sie ihnen nicht antun. „Ja", antwortete sie fest. „Das bin ich."
„Lust ist doch ein seltsam Ding!" sagte Burgoigne und lachte laut auf. „Warfield freit ein Weib ohne Vermögen, Rang und Ansehen! Vielleicht hat ihn die Tatsache, dass du wie ein Knabe aussiehst, dazu verführt! Ich wüsste gern, was du ihm wert bist."
„Sehr wenig", erwiderte Meriel rasch. „Er hat mich verstoßen, zu meinen Angehörigen zurückgeschickt und will sogar die Ehe auflösen lassen. Ich habe mich im Forst verirrt und wurde von diesen Leuten aufgenommen. Sie wussten nicht, wem sie halfen."
„Die Auslöse für dich dürfte viel größer sein als der lächerliche Batzen Denare, die der Jude mir zahlen kann", entgegnete Guy de Burgoigne höhnisch, und ein hässliches Grinsen verzerrte seinen Mund. „Selbst wenn Warfield dich verabscheuen sollte, wird er dich wiederhaben wollen, nur weil ich dich gefangen halte. In welchem Zustand er dich allerdings zurückbekommt, dafür will ich die Hand nicht ins Feuer legen. Du wirst es erleben, was meine Worte zu bedeuten haben! So, und nun brechen wir auf!" Brüsk wandte er sich ab und schritt zu seinem Streitross.
Der einzige Lichtblick an diesem unheilvollen Tage war für Adrian de Lancey, dass er auf dem Wege nach Warfield Castle unvermutet den Schimmel hinter sich sah. Er blieb stehen, fing den Wallach ein und schwang sich müde in den Sattel. Grimmig dachte er, dass er, verschmutzt, durchnässt und ohne seine Gemahlin, wenigstens wie ein Chevalier heimkehrte.
Niemand wagte es, ihm Fragen zu stellen, nachdem er in der Veste eingetroffen war.
Mürrisch stapfte er die Treppen hinauf und zog sich in das Schlafgemach zurück. Wie
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