historical gold 036 - Der Flug des Falken.doc
sagte er und grinste hämisch. „Der Seigneur hat ein etwas anderes für dich vorgesehen."
Sarah l'Eveske warf ihr einen bedauernden Blick zu, ehe der Marschall die Countess of Shropshire beim Arm ergriff und eine weitere Wendeltreppe hinunterdrängte. Im zuckenden Licht der Fackel glitzerte tropfende Nässe an den schwarz verfärbten Mauern auf, und über die ausgetretenen Stufen sickerte braunes Wasser.
Endlich blieb der Hauptmann stehen, machte eine kleine Pforte auf und stieß Meriel in den nur schwach erhellten Kerker. „So, da wären wir, Mylady Warfield", bemerkte er und verneigte sich höhnisch. „Gleich kannst du deine Kemenate beziehen!" Er bückte sich und hob eine im Boden eingelassene Falltür hoch.
Aus dem schwarzen Loch schlug Meriel fürchterlicher Gestank entgegen.
Unbeirrt vo n dem fauligen Geruch, nahm der Hauptmeister die an einer Wand lehnende Leiter und senkte sie in die Tiefe.
Die offenkundige Feindseligkeit des Marschalls verwirrte Meriel. Gewiss, sein Gesicht war widerlich und abstoßend, aber bislang hatte er sich nicht so gemein und verroht verhalten wie Guy de Burgoigne. „Warum hasst du mich?" fragte sie verwundert.
„Dich hasse ich nicht", widersprach Vincent de Gembloux überrascht. „Du bist nur ein Mittel zum Zweck, das sich ausgezeichnet gegen Warfield verwenden lässt."
„Was hat er dir denn getan?"
„Ich habe ihn einmal ersucht, mich in seine Dienste aufzunehmen", antwortete der Hauptmann und verzog abfällig die Lippen. „Aber er wollte mich nicht haben."
Der Marschall schien äußerst nachtragend zu sein. „Und dann blieb dir nichts anderes übrig, als Soldritter bei Burgoigne zu werden", erwiderte Meriel trocken. „Welch grausames Geschick, fürwahr!"
„Du hast eine vorlaute Zunge, Mylady", sagte Vincent de Gembloux und gab ihr einen harten Schubs, der sie bis zum Rande des Abgrundes brachte. „Nun begreife ich, warum Warfield dich vertrieben hat, nachdem er seine Gelüste ge stillt hat. Bestimmt lässt er jetzt nachforschen, ob ihr irgendwie blutsverwandt seid, damit die Ehe aufgelöst werden kann."
„Davon bin ich überzeugt", entgegnete Meriel gleichgültig. „Du wirst merken, dass ihr mit mir keine gute Waffe gegen ihn in der Hand habt."
„Bei aller Verachtung, die er für dich empfinden mag, ist er viel zu stolz, seinem Rivalen den Triumph zu lassen, dich in der Gewalt zu haben. Du wirst sehen, er winselt Burgoigne um Gnade für dich an und zahlt jede verlangte Summe." Ein abschätziger Blick traf Meriel.
„Parbleu! Selbst wenn ich mich ein Jahr lang hätte enthalten müssen, würde ich deinetwegen höchstens eine Kupfermünze hinlegen!"
Meriel war nicht eitel und folglich auch nicht gekränkt. Innerlich erschauernd, sah sie in das stinkende Gelass und sagte in gebieterischem Ton: „Wenn ich euch nützlich bleiben soll, dann veranlasse gefälligst, dass mir zumindest eine Strohmatte und etwas zum Zudecken gebracht werden!"
„Wie es dir beliebt, Mylady", willigte Vincent de Gembloux übertrieben höflich ein. Sie hatte nicht unrecht. Unter solchen Lebensbedingungen konnte es sehr schnell geschehen, dass sie siech wurde und starb. „So, und nun steige hinab!" forderte er sie barsch auf.
Die Leiter schwankte bedrohlich unter Meriels Gewicht, und die Sprossen knackten.
Angstvoll zählte Meriel die Schritte und mutmaßte, als sie auf dem Boden ankam, dass sie mindestens zwölf Fuß unter der Luke sein musste. An ein Entkommen ohne Hilfsmittel war nicht zu denken.
Der Marschall zog die Tritte hoch, knallte die Falltür zu und schob einen Riegel vor. Dann senkte sich Stille über das Gelass.
Angstvoll versuchte Meriel, sich in der Dunkelheit zurechtzufinden. Mit äußerster Vorsicht tappte sie, die Arme ausstreckend, voran. Manchmal gab es in solchen Verliesen Öffnungen, in die ahnungslose Gefangene stürzten und sich dann das Genick brachen. Behutsam schlurfte sie über den unebenen Untergrund weiter, ohne jedoch ins Nichts zu stolpern. Nach einer Weile stieß sie auf eine Wand und tastete sich an den grobgefügten, glitschigen Quadern entlang.
In einem Winkel war eine Vertiefung, offenbar ein Abtritt. Die Luft stank hier noch mehr, und angewidert hielt Meriel sich die Nase zu. Nach einigen Schritten spürte sie Widerstand, hockte sich hin und hatte einen halbzerschlissenen, strohgefüllten Jutesack in Händen.
Modergeruch stieg von ihm auf, doch das war ihr gleich. Matt setzte sie sich und kam zu dem Schluss, dass ihr Gefängnis etwa
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