historical gold 036 - Der Flug des Falken.doc
„Unter deinem Dach? Und was willst du nicht zulassen?"
„Du hast mich gehört", erwiderte Cecily und ermahnte sich, keine Furcht zu zeigen.
„Und wie gedenkst du, mir Einhalt zu gebieten?" brüllte Guy de Burgoigne, ging zu ihr und versetzte ihr einen Stoß, der sie ins Wanken brachte.
Taumelnd fand sie Halt an der Tür, lehnte sich gegen eine Säule des Portals und entgegnete mit zitternder Stimme: „Ich kann dich gewiss nicht aufhalten. Aber du solltest nie außer acht lassen, dass Wenlock Castle mir gehörte, ehe du es an dich gerissen hast. Für das Gesinde und die meisten der Burgbewohner bin noch immer ich diejenige, die sie als Oberhaupt des Hauses anerkennen, nicht du! Misshandele mich, so wie Männer alle hilflose Frauen quälen, aber sühnelos wirst du mich nicht aus dem Wege räumen können. Dann kommt es zu einem Aufstand, der dich hinwegfegen wird!"
Weiß vor Zorn, schrie Burgoigne seine Gemahlin an: „Glaubst du wirklich, auch nur einer meiner Knappen und Ritter würde dir gehorchen? Ich habe hier die Macht, und niemand würde sich erkühnen, mir zu widersprechen! Ich könnte dir vor aller Leute Augen das Fell bei lebendigem Leibe über die Ohren ziehen, und keiner würde es wagen, auch nur die Hand gegen mich zu erheben!"
Cecily verschränkte die Finger und presste sie zusammen, bis die Haut sich weiß über den Knöcheln spannte. „Dann lass es darauf ankommen, wenn du so sicher bist!" sagte sie scharf.
„Du meinst offenbar, alle Welt liebt und achtet dich derart, dass jedes deiner Verbrechen stillschweigend hinge nommen wird! Deine Macht beruht auf der Angst, die du allen hier einflößt. Töte mich, und du wirst sehen, dass dir dennoch keine Ruhe beschieden ist. Es mag sein, dass niemand sich offen gegen dich auflehnt, aber die Gewähr, ungestraft bis an das Ende deiner Tage schalten und walten zu können, hast du nicht. Einige Tropfen Schirling im Wein oder ein Dolch, dir heimlich aus dem Hinterhalt in den Rücken gestoßen, werden dein Leben auslöschen."
Wutentbrannt stürzte Guy de Burgoigne sich auf seine Gattin, schlug ihr he mmungslos ins Gesicht, zerrte sie an den Zöpfen und schleuderte sie brutal ins Zimmer.
Halbblind vor Tränen und benommen, torkelte sie gegen das Bett und brach zusammen.
Der Rasende stapfte zur Tür, riss sie auf und schrie nach einer Wache. „Bringt diese Schlampe ins Verlies!" herrschte er den verwunderten Soldaten an und wies auf Meriel.
„Sofort! Schaff sie mir aus den Augen!"
Meriel, die sich vor Angst nicht zu rühren getraut hatte, kam schwankend auf die Füße und hastete in den Gang. Noch auf dem Flur hörte sie ihren Peiniger toben: „Und nun bekommst du, was die andere nicht haben sollte!"
Das düstere Gelass erschien Meriel wie ein lichterfüllter Hort, an dem sie Zuflucht suchen konnte. Noch immer zitternd und verstört, hüllte sie sich in die Decke, setzte sich ins Stroh und dankte dem Schöpfer, dass er sie vor Schaden bewahrt hatte. Inständig erflehte sie seine Gnade auch für die Burgherrin, die ihr so überraschend zu Hilfe gekommen war.
Adrian de Lancey hatte sich nie so enthemmt benommen, so besessen von Mordlust und Rachgier. Gewiss, auch er war hartherzig und unnachgiebig, aber kannte wenigstens den Unterschied zwischen Gut und Böse und war fähig, Fehler zu bereuen. Ganz im Gegensatz zu dem tobsüchtigen Guy de Burgoigne war er bemüht, seine Untugenden zu mäßigen und die schlechte Seite seines Wesens zu bezähmen.
Nur noch fahles Licht drang durch die schmale Scharte, als plötzlich die Falltür angehoben wurde, und Meriel meinte, den Augen nicht trauen zu dürfen. Cecily de Chastain stieg auf der herabgelassenen Leiter in den Kerker, ein zusammengerolltes Bündel unter dem Arm.
„Oh, Himmel!" sagte Meriel bestürzt. „Hat dein Gemahl dich in dies Verlies verbannt?"
„Nein, mein Kind. Ich will nur dafür sorgen, dass deine Haft erträglich ist."
Meriel erschrak. Ein langer Riss klaffte an der Wange der Countess. Mit tränenfeuchtem Blick ging sie zu ihr, legte ihr mitfühlend die Hand auf den Arm. „Vergib mir. Es tut mir so leid, was dein Mann dir angetan hat. Er hat die Wut über mich an dir ausgelassen, nicht wahr?"
„Es war nicht schlimmer als sonst", erwiderte Cecily und lächelte bitter. „Aber heute haben seine Prügel mir nichts ausgemacht. Ich war stolz, dass ich mich endlich einmal gegen ihn aufgelehnt habe."
„Dein Mut nötigt mir die größte Hochachtung ab", ge stand Meriel und schaute
Weitere Kostenlose Bücher