historical gold 036 - Der Flug des Falken.doc
Weidenkörbchen, nahm das dürftige Mahl heraus und legte die irdene Kanne hinein. Der Wärter zog am Strick und Schloss polternd die Luke.
Ächzend bückte sie sich, nahm das Brot, die Schale Hirsebrei und den Krug und setzte sich, leise aufstöhnend, zum Essen. Sie war hungrig und schöpfte Bissen für Bissen mit den Krusten die abgestoßene Tonschüssel aus. Der Wein schmeckte sauer und wässrig, löschte aber wenigstens den Durst.
Gesättigt lehnte sie sich matt an die Wand und Schloss die Lider. „Heilige Jungfrau Maria, hilf mir", betete sie leise, Jetzt und im Augenblicke meines Todes. Amen." Es war nicht leicht, sich mit ihrem Los abzufinden, doch die Zuversicht, in Gott auch ihren Erlöser zu haben, gab ihr Trost und inneren Frieden.
Erschrocken blickte sie nach oben, als die Falltür unge stüm hochgerissen wurde und der Schein einer Fackel die Düsternis erhellte. Rumpelnd wurde die Leiter herunterge lassen, und dann sah Meriel den Marschall, der sich über die Öffnung beugte.
„Komm herauf!" befahl er barsch.
Langsam erhob sie sich und blieb unschlüssig stehen. „Was willst du?" fragte sie misstrauisch.
„Schwatz nicht!" erwiderte Vincent de Gembloux schroff. „Sonst hole ich dich!"
Zögernd stieg Meriel die bedrohlich knackenden Sprossen hoch.
Grob packte der Hauptmann sie am Arm und zerrte sie in das von Fackeln beleuchtete Gelass. „Beeile dich gefälligst!" herrschte er sie an. „Je länger du den Seigneur warten lässt, desto gereizter wird er! Und er tobt bereits vor Wut. Also ist es besser, wenn du ihn nicht mehr gegen dich aufbringst."
Verwundert blickte Meriel auf die zwei neben der Tür postierten Soldaten. Beide waren in voller Rüstung, und jeder hielt einen langen Streithammer mit spitzem Stichblatt in der Hand.
Fürchtete man tatsächlich, dass sie, ein schwaches, hilfloses Weib, einen Fluchtversuch unternehmen würde? Bedurfte es wirklich zweier Bewaffneter, um sie einzuschüchtern?
„Los, voran!" drängte Vincent de Gembloux.
Einer der Geharnischten drehte sich um und stapfte die enge Stiege voran. Meriel musste folgen, und der Marschall Schloss sich mit dem anderen Soldaten an.
Nach einer endlos scheinenden Flucht von Stufen ge langte Meriel in das Eingangsgewölbe des Keep. Auch hier waren Posten aufgestellt, und selbst im Hof befanden sich bewaffnete Wachen. Meriel wurde in den Palas, über eine weitere Treppe zu einem langen, an der Halle vorbeiführenden Gang und schließlich, im höher gelegenen Stockwerk, zu einem Gemach gebracht.
Die Soldaten nahmen zu beiden Seiten des Portales Aufstellung, und der Hauptmann öffnete die eisenbewehrte Tür. Unsanft stieß er Meriel in den Raum und sagte spöttisch:
„Seigneur, die Countess of Shropshire!"
Guy de Burgoigne stand am Fenster, drehte sich langsam um und musterte sie mit hämischem Grinsen. „Du darfst dich entfernen, Vincent", erwiderte er und leckte sich genüsslich die Lippen. „Es sei denn, du möchtest zusehen und dich, selbstverständlich nach mir, auch ein wenig mit ihr amüsieren."
Angst erfasste Meriel, und voll wachsenden Entsetzens schaute sie ihren Peiniger an.
„Sie ist nicht mein Geschmack", entgegnete der Marschall ruhig, verneigte sich und verließ das Studierzimmer.
Nach einigen Schritten blieb er nachdenklich stehen und blickte in den Innenhof. Es erstaunte ihn selbst, dass er plötzlich Unbehagen empfand. Wäre dieses Mädchen nur eine Magd oder das Balg eines Hörigen, hätte er nicht solche Bedenken. Leibeigene Weiber waren da, um sich mit ihnen zu verlustieren, denn ein Herr von Stand hatte das Recht, sich zu nehmen, was ihm beliebte.
Warfields Gemahlin jedoch war eine Freigeborene, und Burgoignes Absicht, sie zu schänden, verstieß gegen die Regeln der Ritterlichkeit. Vincent de Gembloux verkniff die Lippen. Selbst wenn er sich manche Freizügigkeit ge stattete, konnte er sogar nach seinen Maßstäben das Vorhaben des Zwingherren nicht billigen.
In der Verfassung, in der Guy de Burgoigne im Augenblick war, konnte es zudem sehr schnell geschehen, dass er die Beherrschung verlor und Mylady erwürgte, wie die Schlampe, die er vor kurzem in Stafford umgebracht hatte. Das musste unbedingt verhindert werden.
Eine tote Countess of Warfield war schließlich nichts wert.
Aus Sorge, es könne ihn Kopf und Kragen kosten, wagte Vincent de Gembloux jedoch nicht, in die Kammer zurückzukehren und den Seigneur zur Mäßigung aufzufordern. Guter Rat war teuer, denn die Zeit
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