historical gold 036 - Der Flug des Falken.doc
Burgoignes Gattin warmherzig an.
Schweigend blickten die beiden Frauen sich einen Moment in die Augen, ehe Cecily ergriffen äußerte: „Ich danke dir. Ich war nicht immer so tapfer. Hier, nimm diese Kleider", fügte sie in festerem Ton hinzu. „Sie sind nicht sehr hübsch, müssten dir jedoch passen. Du musst dich elend fühlen in dieser schmutzigen Cotte. Außerdem habe ich Anweisung erteilt, dass man dir vernünftiges Essen bringt, das dich stärkt. Benötigst du noch etwas?"
Meriel hatte viele Wünsche, doch es wäre vermessen ge wesen, die Gutmütigkeit der Burgherrin auszunutzen. „Nein", sagte sie leise. „Höchstens ..."
„Ja?"
„Nun, ich wäre dankbar, wenn ich einen Eimer Wasser zum Waschen bekommen könnte, und vielleicht einen Kamm, um das Haar in Ordnung zu halten. Und weißt du, wie es den Juden ergeht, die man mit mir eingesperrt hat?"
„Ich werde sehen, was ich für dich tun kann", murmelte Cecily de Chastain. „Die anderen Gefangenen sind wohlauf, soweit es unter den Umständen möglich ist. Ich war sogar sehr überrascht, wie guten Mutes sie sind, ganz besonders der alte Mann. Leider kann ich nichts daran ändern, dass sie in dem engen Verlies derart eingepfercht sind."
„Du bist sehr gütig, Mylady", sagte Meriel bewegt.
„Nenn mich Cecily", erwiderte die Burgherrin freund lich. „Ich bedauere, dass ich nicht viel für euch tun kann. Ich kann nicht kommen und gehen, wie ich möchte. Zwei Soldaten bewachen auf Anordnung meines Gemahles jeden meiner Schritte. Wenn das nicht so wäre
..." Hilflos zuckte sie mit den Schultern.
„Du hast schon so viel Großherzigkeit bewiesen, insbesondere mir, die dir doch vollkommen fremd ist", widersprach Meriel gerührt. „Möge Gott dich schützen!"
Ein seltsames Lächeln huschte über das bleiche, eingefallene Antlitz der Countess, und ihr Blick schien Meriel etwas zu sagen, das sie nicht aussprechen wollte. „Uns beide", flüsterte sie, berührte sacht Meriels Wange und wandte sich dann rasch ab. Eilends stieg sie die Leiter hinauf, und dann fiel mit lautem Knall die Falltür zu.
Meriel setzte sich, löste den Knoten des Strickes, der das Bündel zusammenhielt, und entrollte es. Eine blaue Cotte kam zum Vorschein, eine linnene Chainse, weitere Kleidungsstücke und... Meriel stockte der Atem.
Im blassen Licht schimmerte das vergoldete Heft eines Dolches auf.
Fassungslos nahm sie die Waffe hoch, zog sie aus der Scheide und betastete die spitze, scharfe Klinge. Nun begriff sie, warum Cecily de Chastain sie so wissend ange schaut hatte.
Ein Frösteln rann ihr über den Rücken. Welche Unverzagtheit hatte die Gattin des Zwingherren bewie sen, so das Leben aufs Spiel zu setzen! Guy de Burgoigne hätte sie gewiss auf der Stelle umgebracht, wäre der Dolch entdeckt worden.
Hastig verbarg Meriel ihn unter dem Stroh, entledigte sich dann der Kle ider, die Sarah l'Eveske ihr zur Verfügung gestellt hatte, und schlüpfte in die sauberen Sachen.
15. KAPITEL
Zwei Tage verstrichen, bis Richard de Lancey in Warfield Castle eintraf. In der Zwischenzeit waren vom Earl of Shropshire alle kampffähigen Männer aufgerufen worden, sich in der Burg einzufinden. Der Feldzeugmeister hatte sämtliche Rüstungen und Waffen überprüfen lassen; Packwagen und Fuhrwerke wurden hergerichtet und in aller Eile mit den Vorräten des großen Tross beladen.
Schon am Morgen nach der Ankunft des Kastellanes von Montford Castle brachen die vereinten Truppen auf und zogen in die Schlacht gegen Guy de Burgoigne. Nur einen Tag später erreichten die Reisigen Wenlock Castle und warteten auf das Fußvolk, das noch am selben Abend vor der Veste das Lager aufschlug.
Überall waren die Bewohner der Weiler vor den nahenden Soldaten geflohen, und Alan de Vere war verwundert, dass der Schwager die Dörfer und Felder nicht hatte niederbrennen lassen.
Auf Alans erstaunte Frage hin antwortete Adrian de Lancey: „Warum? Diese Leute haben uns nichts getan. Sollte die Belagerung lange dauern, finden unsere Mannen in den leeren Katen wenigstens Unterschlupf vor der Unbill des Wetters."
Nachdem die müden Krieger Quartier bezogen und sich nach dem langen Marsch gestärkt hatten, wurde eine Es korte zusammengestellt, die Richard de Lancey anführte. Ein Fähnrich mit der blauen, den sitzenden Silberfalken zeigenden Standarte des Earl of Shropshire ritt voran, ge folgt von Lanzenträgern und Armbrustschützen. Der Trupp zog den gewundenen Weg zur Ringwehr von Wenlock Castle hinauf und
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