historical gold 036 - Der Flug des Falken.doc
mit.
Betroffen sah Meriel den Bruder an. Sie hatte sich gedacht, dass sie in Beaulaine Schwierigkeiten in Kauf nehmen musste, doch nie damit gerechnet, gar nicht willkommen zu sein. „Aber ich werde Haleva nicht zur Last fallen", versicherte sie eindringlich. „Ich will hart arbeiten und mich um die Kinder kümmern. Sie selbst gesteht mir doch zu, dass ich gut mit ihnen umgehen kann. Hat sie geäußert, warum sie mich nicht haben will?"
„Sie ist eifersüchtig", antwortete Alan trocken.
„Eifersüchtig!" wiederholte Meriel verdutzt. „Alan, du beliebst zu scherzen! Ich würde Haleva niemals in den Schatten stellen!"
„Sie ist eine hübsche Frau, die leider eine sehr scharfe Zunge hat. Du indes ... nun, du bist Meriel", erwiderte Alan warmherzig. „Aber mach dir keine Gedanken. Es wird alles in Ordnung kommen. Du kannst mit mir zu Mylord Moreton reisen und seiner Gemahlin zur Hand gehen. Bei ihnen wirst du glücklicher sein als in Beaulaine. Und später", fügte er stolz hinzu, „kannst du dann bei mir auf meinem Gut leben."
Meriel meinte, den Ohren nicht trauen zu können. Besitzlosen jüngeren Söhnen, die sich in der Hoffnung auf ein Unterlehen als Soldritter in den Heeresdienst eines Zwingherren begaben, gelang es selten, in Alans Alter mit einem Handlehen belohnt zu werden. „Soll das heißen", fragte Meriel beeindruckt, „dass Mylord Moreton dir Land überlassen will?"
Der Bruder nickte lächelnd.
„Wie wunderbar!" Unfähig, ihre Freude zurückzuhalten, sprang Meriel auf und umarmte ihn überschwänglich. „Erzähl mir, was den Baron dazu bewogen hat!"
„Bei einem Überfall bin ich ihm zu Hilfe gekommen, so wie jeder gute Schildmann es getan hätte", erwiderte Alan bescheiden.
„Hast du ihm das Leben gerettet?"
„Vielleicht", antwortete der Bruder und zuckte achtlos mit den Schultern. „Jedenfalls ist er nicht in Gefangenschaft geraten und davor bewahrt geblieben, eine hohe Auslöse für seine Freiheit zu entrichten. Er meinte, mein beherztes Eingreifen sei eine Belohnung wert. Ich soll Avonleigh, einen seiner Gutshöfe im Osten von Shropshire, bekommen, wenn der jetzige alte und kinderlo se Lehnsmann Moretons stirbt."
„Ich freue mich ja so für dich", sagte Meriel glücklich. „Du wirst ein wohlbestallter Mann und kannst dich vermählen, vielleicht mit einer Frau, die dir dank ihrer Braut gabe noch größere Ländereien einbringt. Du wirst bedeutender sein als William!"
„Schieß nicht gleich über das Ziel hinaus, Schwesterchen!" wehrte Alan ihre Begeisterung ab und hob schmunzelnd die Hände. „Erstens ist Avonleigh kein großes Gut, nur ein kleiner Hof, und zweitens gehört es mir noch nicht. Selbst wenn alles gutgeht und Mylord Moreton mich tatsächlich damit belehnt, wird viel zu tun sein, denn der Sir Piers, der derzeit dort wohnt, ist sehr lasch in der Verwaltung." Alan de Vere beugte sich vor, schaute Meriel eindringlich an und fügte ernst hinzu: „Ich brauche dich. Sobald Avonleigh mir zuteil geworden ist, möchte ich, dass du bei mir lebst, mir den Haushalt führst und für Ordnung sorgst, wenn ich nicht anwesend bin. Ich muss mich auf jemanden verlassen können, und du hast mein vollstes Vertrauen! Und eines Tages, wenn ich eine Braut heimgeleitet habe, wirst du sie gewiss ins Herz schließen, weil du mit meiner Wahl einverstanden bist. Wer weiß", fuhr er verschmitzt lächelnd fort, „vielleicht fällt mir irgendwann einmal eine reiche Geisel in die Hände und versetzt mich in die Lage, dich durch das Lösegeld mit einer guten Mitgift auszustatten."
„Ach, ich bezweifele, dass ich mich je verheiraten werde", entgegnete Meriel lächelnd.
„Ich fürchte, ich wäre kein sehr gehorsames Eheweib. Aber dich werde ich nach besten Kräften und mit Freuden unterstützen." Sie war zutiefst bewegt, dass der Bruder so viel Wert auf ihre Hilfe legte, wiewohl sie selbst seiner viel mehr bedurfte. Aber so war die Zukunft wenigstens zum Teil klar und deutlich vorgezeichnet, auch wenn der Rest im Ungewissen blieb.
3. KAPITEL
MONTFORD CASTLE, SHROPSHIRE
Im März des Jahres 1148
„Ein größerer Trupp Reiter naht aus Süden, Sieur!"
Durch den Ruf der Schildwache aufmerksam geworden, hielt Richard de Lancey die Hand über die Augen und versuchte misstrauisch, das Wappen auf der Fahne des Bannerführers zu erkennen. Sein Argwohn war berechtigt, denn die ständigen kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen dem König und den Gefolgsleuten Mauds of England hatten nur in den
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