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historical gold 036 - Der Flug des Falken.doc

historical gold 036 - Der Flug des Falken.doc

Titel: historical gold 036 - Der Flug des Falken.doc Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: kram
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allem fähig sei. Und plötzlich fiel ihr auf, dass sein so gleichmütig wirkender Blick und die äußerliche Beherrschung täuschten. Aus den grauen Augen sprach kein Mitgefühl, kein Verständ nis, nur grausame Kälte, die von einem gnadenlosen, ge walttätigen Wesen zeugte. Dieser Mann war gefährlich, und unwillkürlich fühlte sie sich durch ihn an die Erscheinung des Erzengels am Scheidewege erinnert. Unversehens überkam sie Furcht, um sich und alle, deren Wohl in ihren Händen lag, und sie beschloss, Schweigen über ihre Herkunft zu bewahren.
    Brüsk stieß der Hauptmann ihre schützend vor den Pelegrin gehaltene Hand beiseite und wollte ihn ergreifen.
    Verstört wich sie zurück und sagte trotzig: „In Wales gibt es keine Vorschriften über den Besitz von Falken, und ich habe nicht gewildert!"
    „Du bist jetzt in England!" entgegnete Walter of Evesham schroff.
    „Chanson gehört mir!" wiederholte Meriel. „Niemand darf sie mir wegnehmen! Ich habe sie in einem Horst hoch auf einer Klippe gefund en und selbst zur Jagd ausgebildet." Sie ging noch weiter rückwärts und überlegte, ob sie fliehen solle. Aber sie verwarf die Absicht, da sie den Männern nicht entkommen würde.
    „Solltest du uns nicht belogen haben", warf Richard de Lancey ein, „kannst du die Sahin behalten. Aber du solltest sie Walter of Evesham überlassen, bis die Sache geklärt ist."
    Meriel war nicht gewillt, dem Befehl nachzukommen. Man hielt sie für leibeigen, und einer Hörigen würde kein Chevalier einen Falken zurückgeben. Den linken Arm mit dem ledernen Schutz hebend, löste sie flink und unbemerkt das Geschüh mit den angeschnallten Glöckchen von den Füßen des Pelegrin. Wenn sie schon dem Earl of Shropshire ausgeliefert war, so sollte Chanson es nicht auch noch sein.
    „Hast du nicht gehört, was Richard de Lancey sagte?" herrschte der Hauptmann Meriel an.
    „Wenn du beweisen kannst, dass du rechtmäßig im Besitz der Sahin bist, bleibt sie dein Eigentum."
    Im Nu nahm Meriel dem Falken die lederne Kopfhaube ab und warf ihn mit aller Kraft in die Luft, nicht wie ein Waidner gegen den Wind, sondern in ihn, wie es üblich war, wenn einem Beizvogel die Freiheit zurückgegeben wurde. „Ihr sollt Chanson nicht haben!" rief sie erbittert. „Wenn sie mir nicht gehören darf, dann niemandem!"
    Einen Herzschlag lang schwebte der Pelegrin unschlüs sig über der Lichtung, ehe er sich, ein dunkler schlanker Schatten, mit mächtigen Flügelschlägen in die Lüfte erhob.
    „Bei Christi Wunden!" fluchte Richard de Lancey. „Die Schlampe hat den Falken mit dem Wind geworfen!"
    Meriel wurden die Augen feucht, als sie die Sahin aufsteigen und entfliegen sah. Doch sie bereute ihr Handeln nicht, nur, dass sie ihrer geliebten Chanson nicht folgen konnte. Mit den Tränen kämpfend, wandte sie sich wieder den Rittern zu und schaute den Earl of Shropshire an.
    Er war der einzige, der dem Falken nicht nachblickte. „Das hättest du nicht tun dürfen, Meriel", sagte er so verhalten, als befände er sich allein mit ihr auf der Wiese.
    „Mit meinem Eigentum kann ich tun und lassen, was mir beliebt, Herr!" erwiderte sie leise.
    Im weichen Klang ihrer Stimme hatte kein unterwürfiger Ton mitgeschwungen, und auch ihre Haltung ließ keinerlei Ergebenheit erkennen. Gesicht und Tunika verschmutzt, das braune Haar halb aus dem Zopf gelöst, stand sie stolz vor ihm, wirkte aber dennoch nicht aufsässig. Ungehorsam setzte Verärgerung voraus, aber die war ihr nicht anzusehen. Ihr Blick war aufrichtig und klar, und Adrian ahnte, dass sie den gleichen Drang nach Ungebundenheit und Selbständigkeit besaß wie der Pelegrin, den sie soeben in die Freiheit entlassen hatte.
    Und jäh spürte er eine begehrliche, unheilvolle Regung, dieses Gefühl, das ihn stets erschreckte, da es ihn an die dunkle Seite seines Wesens erinnerte. Es verlangte ihn nach diesem Mädchen, mit einer besitzergreifenden Gier, die erregend und zugleich gefährlich war.
    Er wusste, das Aufwallen seiner Leidenschaft würde sich verflüchtigen, denn es war ausgeschlossen, sich dieser verzehrenden Glut für immer hinzugeben. In diesem Moment fühlte er sich jedoch nicht imstande, seine Sehnsucht zu bezwingen und Meriel mit dem Rat, besser darauf zu achten, wo sie in Zukunft jagte, nach Hause zu schicken. Noch konnte, wollte er sie nicht gehen lassen.
    „Da du gewildert hast", erwiderte er brüsk, und die Stimme klang ihm fremd in den Ohren,
    „bist du nun meiner Macht verfallen, und ich

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