historical gold 036 - Der Flug des Falken.doc
auf großes Wild, vertragen grobe Nahrung, sind zutraulich und haben einen prächtigen Wuchs. Sieh nur, welch mächtiges Haupt er hat! Auch der Schnabel ist gut entwickelt, der Hals lang, die Kehle füllig und die Brust weit. Die kurzen Läufe und langen Flügel ermöglichen es ihm, schnell aufzusteigen und an Geschwindigkeit zu gewinnen. Ich habe miterlebt, dass ein Saker sich auf einen Kranich stürzte und ihn mühelos mit den Fängen band, und ein anderes Mal, wie er einen viel größeren und schwereren Hasen zur Strecke brachte."
„Weißt du, wo das war?" erkundigte Adrian sich beiläufig.
Meriel verkrampfte sich, und das Tier spürte die Veränderung. Ihn behutsam auf die Stange zurücksetzend, antwortete sie bedrückt: „Nein. Außer diesen flüchtigen Eindrücken fällt mir nichts ein."
Tröstend drückte der Earl of Shropshire Meriels Schulter und setzte den Rundgang fort.
Der Falkner folgte ihnen in gebührendem Abstand und sagte unvermittelt;„Um Vergebung, Mylord Warfield! Über dem Königlichen Wald will man einen Pelegrin beobachtet haben, der offenbar seinem Besitzer entflogen ist. Ich bin hingeritten, weil ich wissen wollte, was an der Geschichte stimmt. Ich habe ihn tatsächlich aufgespürt und ihn mit dem Federspiel zu ködern versucht, aber er ist mir ent wischt, ehe ich ihn fassen konnte."
„Wie interessant!" erwiderte Adrian de Lancey und dachte sogleich an die Sahin, die Meriel mit dem Wind geworfen hatte. Diese Tiere kehrten oft zu ihrem Herrn zurück, ganz besonders dann, wenn er ihnen vertraut war. Falls es wirklich die Meriel entflohene Chanson war, ließ sie sich vielleicht von ihr herbeilocken. „Möchtest du versuchen, den Pelegrin einzufangen?" schlug er Meriel vor.
„Oh, mit Vergnügen!" stimmte sie freudig überrascht zu.
Der Falkner beschrieb, wo der Pelegrin zumeist gesehen worden war. Dann richtete er eine Tasche mit Federspiel, Geschüh, Kappe, Langfessel, Netz und einer toten Taube her und überreichte sie dem Earl. „Viel Glück, Sieur!" sagte er und verneigte sich tief.
Die Rosse waren bereits aufgezäumt, doch Meriel musterte die für sie bestimmte Stute mit misstrauischem Blick und fragte zweifelnd: „Glaubst du, dass ich reiten kann?"
„Ausgezeichnet sogar!" versicherte Adrian ihr, half ihr in den Sattel und schwang sich auf Fougueux.
Meriel wirkte einen Augenblick unsicher, doch dann erhellte sich ihre Miene. „Wie herrlich, wieder zu Pferde zu sitzen!" meinte sie strahlend. „Das habe ich vermisst!"
In leichtem Trab verließen Meriel und der Earl of Shropshire die Burg, ritten durch Shepreth und schlugen den Weg zum Tann ein.
„Lauf, Rosalia!" feuerte Meriel plötzlich den Rotfuchs an und tätschelte ihm den Hals.
Unwillkürlich spürte Adrian ein Prickeln im Nacken. Der Name war ihr mit solcher Sicherheit über die Lippen ge kommen, dass er überzeugt war, die Stute musste sie an eine andere erinnert haben, offenbar ein ähnliches Tier, das sie einmal besessen hatte. Gewiss war es nicht der ausgemergelte Klepper, den sie angeblich auf dem Weg nach Nottingham geritten hatte. Wieder fragte Adrian sich, wer sie sein mochte. Ein Weib, das mehrere Sprachen kannte, viel von der Falkenjagd verstand und so gut mit Pferden umgehen konnte, war an jenem Tage, als er sie auf der Lichtung angetroffen hatte, sicher nicht ohne männlichen Schutz ausgeritten. Aber wo mochten ihre Begleiter gewesen sein?
Meriel lachte fröhlich und genoss es, einer Kunst fähig zu sein, die zu beherrschen sie nicht gewusst hatte.
Adrian beneidete sie um ihre Unbeschwertheit, während sie dem Forst zustrebten.
Langsam am Waldrand entlangreitend, beobachteten sie angestrengt den Himmel über dem angrenzenden, ausgedehnten Weideland, doch die Sonne sank immer tiefer, ohne dass der gesuchte Falke ent deckt wurde.
Schließlich wendeten sie die Pferde, und gleich darauf rief Meriel begeistert: „Da oben!
Erkennst du ihn? Da fliegt er!"
„Ja", bestätigte Adrian de Lancey und schaute zu der in großer Höhe schwebenden Silhouette auf. „Du hast einen scharfen Blick!"
„Schnell, gib mir die Tasche und verbirg dich!" forderte Meriel ungeduldig.
Nur selten hatte jemand es gewagt, Adrian Befehle zu erteilen, aber lächelnd kam er ihrem Wunsche nach und zog sich zwischen die Bäume zurück.
Sie ritt ein Stück auf die Wiese hinaus, nahm die an der Lockschnur angebundene tote Ringeltaube und wirbelte sie geschickt durch die Luft.
Einige Zeit hatte es den Anschein, dass der Falke
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