historical gold 036 - Der Flug des Falken.doc
sich nicht ködern lassen würde.
Vermutlich war es doch ein Wildvogel, und dann blieben Meriels Bemühungen erfolglos.
Nach einer Weile sank er jedoch tiefer, verharrte und begann zu rütteln.
„Timpen! Timpen! Timpentampen!" lockte Meriel, und nur einen Moment später legte der Pelegrin die Schwingen an und stürzte sich, die Fänge ausgestreckt, wie ein Pfeil auf die Beute. Die Federn der Taube stoben auf, als er sie unter sich begrub und zu kröpfen begann.
Beschwichtigend auf ihn einredend, näherte sich Meriel, legte ihm rasch das lederne Geschüh mit der Langfessel an und ließ ihn fressen.
Adrian ritt zu Meriel an, schwang sich aus dem Sattel und meinte lächelnd: „Nicht wahr, es gibt nichts Erregenderes als ein wildes Geschöpf, das aus eigenem Antrieb auf die Freiheit verzichtet!"
„Ja, ist es nicht wundervoll, dass sie zu mir zurückgekehrt ist?"
„Sie?"
„Nun, das ist Chanson!" Überrascht blickte Meriel den Earl an und murmelte erstaunt:
„Wieso weiß ich das?"
„Sie hat dich an der Stimme erkannt", antwortete Adrian und überspielte mit einem Schulterzucken die Befürchtung, dass Meriel sich nun doch vollends der Vergangenheit entsinnen könne. „Als ich dich fand, hattest du diesen schwarzen Pelegrin bei dir. Du wolltest ihn mir jedoch nicht überlassen und hast ihn mit dem Winde geworfen."
„Ich kann mich nicht erinnern", flüsterte sie betroffen, wandte sich traurig ab und ging zu dem Falken. Er hatte sich gesättigt, hüpfte widerstandslos auf den hingehaltenen Lederhandschuh und stand auf der Hand. Glücklich kraulte Meriel ihm die Backenstriche und strahlte, als Chanson wohlig quittelte und sich zufrieden aufplusterte.
„Sie weiß, dass sie bei dir in guten Händen ist", sagte Adrian leise.
Meriel stülpte der Sahin die Kappe über und fragte, leicht die Stirn furchend: „Sollten wir jetzt nicht heimreiten?"
„Ja", willigte Adrian ein, und der Druck, der bislang auf ihm gelastet hatte, schwand.
Wenn Meriel trotz des Hinweises auf die Umstände ihres Auffindens und ungeachtet des Wiedersehens mit Chanson das Gedächtnis verloren blieb, würde sie sich wohl nie mehr erinnern. Nun hatte er die Möglichkeit, an eine gemeinsame Zukunft zu denken.
Er half Meriel in den Sattel, schwang sich auf den Hengst und lenkte ihn nach Warfield zurück. Leise vor sich hin summend, ritt Meriel neben ihm her, den Pelegrin stolz auf dem Handschuh tragend. In Adrians frohgemute Stimmung fiel jedoch ein Wermutstropfen, als er die Weise erkannte. Es war ein Psalm, den er selbst oft gesungen hatte, ein Bekenntnis vollkommenen Vertrauens zu Gott, dem allmächtigen, alleswissenden Lenker der Welt.
Meriel sehnte sich danach, die Gegend zu erkunden, und bat darum, ausreiten zu dürfen. Der Earl of Shropshire erfüllte ihr gern den Wunsch und unternahm mit ihr am folgenden Tage einen Ausflug zum Severn. Die Sonne glitzerte auf den Wellen; Lerchen jubilierten im lichten Blau des Himmels, und über der Landschaft lag sommerlicher Frie de. Am Rande eines abgeschiedenen, von hohen Binsen, Ried und Sumpfgras bewachsenen Seitenarmes hielt Adrian de Lancey im Schatten einer Weidengruppe an, saß ab und half Meriel vom Pferd.
Sie ließen sich im Gras nieder, nahmen lachend und munter über Nichtigkeiten plaudernd den mitgeführten kalten Imbiss ein und ließen sich dann, wohlig auf der Wiese ausge streckt, die Wärme ins Gesicht scheinen.
Selten hatte Adrian sich so entspannt, so glücklich ge fühlt, und es tat ihm leid, dass sie bald den Heimweg antreten mussten. Sehnsüchtig blickte er zum Wasser und bedauerte, dass er nicht schwimmen gehen konnte.
Unvermittelt sprang Meriel auf, löste den Gürtel der Cotte und ließ ihn zu Boden fallen.
„Was tust du?" fragte Adrian verdutzt und setzte sich auf.
Im Nu hatte sie sich die Tunika über den Kopf gestreift und entledigte sich auch der ledernen Stiefelchen. „Es ist so herrlich warm", erklärte sie unbefangen. „Ich will mich erfrischen. Oder tut man das nicht?" fügte sie unsicher hinzu.
„Hm, manchmal ja", räumte Adrian geistesabwesend ein, da ihn der Anblick ihres nur von der dünnen Chainse verhüllten Körpers ablenkte.
„Dann ist ja alles in Ordnung!" erwiderte Meriel, fasste das Untergewand beim Saum und zog es ebenfalls aus. Ihre Bewegungen hatten nichts Aufreizendes oder Scheues, alles geschah mit der natürlichsten Selbstverständlichkeit.
Adrian verschlug es die Sprache, und gebannt schaute er auf das Bild, das der schlanke,
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