Historical Gold Band 261 (German Edition)
schmalen Strich zusammen. „Ihn geliebt? Eine Ehe ist nur einen Schritt weit von einem Gefängnis entfernt, und in eine solche Lage will ich mich nie wieder bringen.“
Tante Agatha musterte sie sehr gründlich, dann tupfte sie sich mit der Serviette sorgfältig die Lippen ab. „Ich verstehe“, sagte sie, und Reese kam nicht umhin, sich zu fragen, was genau die alte Dame verstand. Eines wusste er – er kannte die unnachahmliche Fähigkeit seiner Tante, Menschen einzuschätzen. In einem einzigen kurzen Gespräch konnte sie mehr über einen Menschen erfahren als irgendjemand anders, den er kannte.
Danach verlief das Essen ein wenig angenehmer. Während des Desserts erwähnte er seiner Tante gegenüber, dass einer seiner besten Freunde, Travis Greer, zu Besuch gekommen war und dass er vermutlich bald für die London Times schreiben würde.
„Ich habe ihn ein paar Mal getroffen“, sagte Tante Agatha. „Vor dieser schrecklichen Verwundung natürlich. Er schien ein netter Mann zu sein.“
„Er ist mir ein sehr guter Freund geworden“, sagte Reese, ohne zu erwähnen, dass dieser Mann ihm einmal das Leben gerettet hatte. Er sprach nicht gern über den Krieg.
„Er war sehr freundlich zu Jared“, fügte Elizabeth hinzu, die sich nach Kräften bemühte, etwas zu der Konversation beizutragen.
„Der Junge sehnt sich nach der Aufmerksamkeit eines Mannes. Jeder Narr kann das sehen.“
Elizabeth betrachtete ihre Dessertschale, als gäbe es dort etwas besonders Interessantes zu sehen. Reese nahm auf sie Rücksicht. Offensichtlich war Tante Agatha in Bestform. Sobald das Dessert vorüber war, führte Reese die Damen für einen Drink in den Salon, und beide wirkten sehr erleichtert.
„Wie wäre es mit einem Sherry, Tante Agatha?“
„Nicht heute Abend. Ich glaube, ich werde ins Bett gehen. Wo ist dieser junge Mann, der mir vorhin behilflich war?“
Selbstverständlich erschien Timothy sofort. „Kann ich Ihnen helfen, Mylady?“ Er verhielt sich sehr förmlich, und um ein Haar hätte Reese gelächelt.
„Ja, vielen Dank, Mr Daniels.“
„Gute Nacht, Mylady!“, sagte Elizabeth leise und erhielt ein schroffes „Gute Nacht!“ als Antwort. Timothy geleitete die Dowager Countess aus dem Salon und zur Treppe, dabei ließ er Reese allein mit Elizabeth zurück, ein Umstand, auf den der nicht gefasst war.
Reese dachte an den Kuss im Musikzimmer und konnte nicht umhin, sich zu fragen, was dieser Abend wohl noch bringen würde.
7. KAPITEL
E lizabeth saß gegenüber von Reese auf dem Sofa und nippte an ihrem Glas Sherry. Sie hatte noch nicht herausfinden können, wie es kam, dass sie mit Reese allein war. Während des Essens hatte sie die Möglichkeit erwähnt, Briarwood vielleicht zu verlassen, aber die Dowager Duchess hatte sie mit einem warnenden Blick zum Verstummen gebracht.
Wenn sie abreiste, ohne Reese die Wahrheit über Jared gesagt zu haben, dann würde Lady Tavistock das umgehend für sie erledigen, davon war sie überzeugt.
Sie musste bleiben. Jedenfalls für den Augenblick.
Seltsamerweise empfand sie bei dieser Entscheidung so etwas wie Erleichterung.
„Noch einen Sherry?“, fragte Reese, und erst da fiel ihr auf, dass sie das Glas vollkommen leer getrunken hatte.
„Vielen Dank, aber nein. Ich glaube, es ist höchste Zeit, dass ich nach oben gehe.“ Sie erhob sich und stellte das leere Glas auf den Tisch daneben.
„Sie scheinen eine Art Waffenstillstand mit meiner Tante geschlossen zu haben“, sagte Reese, stand auf und stellte ebenfalls sein leeres Glas ab.
Wohl kaum. Derzeit hatte die alte Dame Elizabeth vollkommen in der Hand, aber das konnte sie natürlich nicht sagen. „Vielleicht hat sie beschlossen, sich mir gegenüber zu öffnen. Vielleicht wird sie mit der Zeit erkennen, dass jede Geschichte zwei Seiten hat.“
Elizabeth betete, dass es so sein mochte. Sie beabsichtigte, am Morgen mit der Dowager Duchess zu sprechen und zu versuchen ihr zu erklären, was vor so vielen Jahren geschehen war.
Reese sah sie aus seinen blauen Augen durchdringend an. „Gibt es zwei Seiten, Elizabeth?“
Er bat sie um eine Erklärung. Sie bezweifelte allerdings, dass er sie verstehen würde. Sie verstand sich ja nicht einmal selbst so richtig.
„Mein Vater hat sich geweigert, uns die Erlaubnis zur Eheschließung zu geben, Reese. Er bestand darauf, dass ich den Earl heirate.“
„Seltsam, ich meine mich zu erinnern, dass du sagtest, du würdest seine Zustimmung bekommen und wir würden
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