HISTORICAL JUBILÄUM Band 03
ich, so wie du leben zu können. Die sieben Weltmeere befahren, zu jeder beliebigen Tages- oder Nachtzeit ausreiten, mein Leben ohne Täuschungen und Vorspiegelungen leben zu können.“
„Und diese Bedürfnisse darf ein Gentleman deiner Meinung nach nicht haben?“
„Nein. Und da ich sie nun einmal habe und nicht bezwingen kann, bin ich nicht wirklich ein Gentleman.“
„Ach, Kane! Wie mache ich dir nur begreiflich, wie falsch deine Überlegungen sind?“
Er berührte ihre Wange mit der Hand. „Das kannst du nicht, Geliebte. Deshalb darfst du auch nicht länger versuchen, mich aufzuhalten.“ Langsam und vorsichtig, um nicht vom Schwindel übermannt zu werden, erhob sich Kane von seinem Lager und begann, sich anzukleiden. „Ich bin fest entschlossen, den Männern des Lord Mayor, des Bürgermeisters von London, alles, wirklich alles zu erzählen. Und wenn sie meinen, es liege genug Grund vor, dass ich sie nach London begleite, werde ich ihrer Aufforderung ohne den geringsten Widerstand Folge leisten.“
Er griff nach seinem Gehrock, doch Bethany trat zu ihm und legte ihm die Hand auf den Arm. „Die Soldaten haben Land’s End vor zwei Tagen verlassen.“
„Aber du sagtest doch, es sei Mittag. Was redest du da von zwei Tagen?“
„Du hast nicht gefragt, welchen Tag wir heute haben.“
„Dann habe ich so lange geschlafen?“ Ungläubig schaute Kane sie an.
„Ja, mein Liebster.“
„Und du bist die ganze Zeit über bei mir geblieben?“
Bethany nickte. „Ja, selbstverständlich. Huntley brachte frische Wäsche und Storm hierher. Dein Hund hat vor lauter Elend fast ununterbrochen geheult und gewinselt, seit du ihn verlassen hattest. Mistress Dove schickte Mittel gegen die Schmerzen und kräftige Brühe, die ich dir löffelweise eingeflößt habe, obwohl du dich heftig dagegen gesträubt hast. Und dann waren natürlich auch alle meine Angehörigen mehrmals am Tag hier, um zu sehen, ob du wohl aufgewacht wärest. Wir alle hofften, dass du nach dem ausgiebigen Schlaf erfrischt und ausgeruht sein würdest.“
Erfrischt und ausgeruht. Kane neigte in einer demütig anmutenden Geste den Kopf. Er fühlte sich beschämt durch die Liebe und Zuneigung der vielen, von Grund auf guten Menschen. Er verdiente deren Liebe nicht.
Entschlossen blickte er auf. Seine Entscheidung war gefallen. Er sah Bethany tief in die Augen, während er ihre Hände mit seinen umschloss. Er wünschte, er könnte ihr den nun folgenden Schock erleichtern, wenn schon nicht ersparen. „Ich muss nach London fahren.“
„Nein, Kane!“
„Pst, Geliebte. Ich weiß, dass du es nur gut meinst. Aber wenn ich mich des privilegierten Lebens, wie es mir geschenkt wurde, würdig erweisen will, muss ich es doch der Wahrheit zuliebe zunächst aufs Spiel setzen. Nur dann kann ich wirklich frei sein. Verstehst du, was ich ausdrücken will?“
Bethany spürte, wie ihr Tränen in die Augen stiegen. Sie blinzelte heftig, um sie zurückzudrängen, doch ihre Gefühle gewannen die Oberhand. „Bitte, Kane, geh nicht. Ich habe so große Angst, dass ich dich dann niemals mehr wiedersehen werde.“ Nun strömten ihr die Tränen heiß über die Wangen.
„Sag mir, dass du mich verstehst, meine geliebte Bethany. Ich brauche dein Verständnis so sehr.“
Ihre Lippen bebten, und der Kloß, den sie im Hals spürte, drohte sie beinahe zu ersticken. Doch durch einen Schleier von Tränen brachte sie es fertig, zu flüstern: „Ich verstehe dich. Und ich liebe dich deiner Aufrichtigkeit wegen. Aber ich kann den Gedanken an das, was dir bevorsteht, nicht ertragen.“
Sanft legte er ihr einen Finger auf die Lippen. Niemand brauchte Kane zu sagen, was auf ihn wartete. Der Albtraum würde Wirklichkeit werden. Die Erinnerung an das Fleet-Gefängnis war für immer in seinem Herzen und seiner Seele fest verankert.
Er presste die Lippen auf Bethanys Mund und schmeckte ihre Tränen. „Kümmere dich gut um Storm“, sagte er. „Und vergiss niemals, dass ich dich liebe, Bethany.“
Die Stimme drohte ihm zu brechen, und hastig löste er sich von ihr, um sich anzukleiden. Dann war er fort.
Bethany stand oben am Fenster und sah ihm nach, wie er zum Kai hinunterging, wo sein Schiff dümpelte. Sie konnte sogar erkennen, dass Kane seiner Besatzung Anordnungen zum Auslaufen gab. Noch in dieser Stunde würde er die Schiffsreise nach London antreten.
Er ließ Bethany zurück mit der Befürchtung, dass der Mann, den sie mehr als alles andere liebte, möglicherweise den Rest
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