HISTORICAL JUBILÄUM Band 03
verlassen, sagte er streng: „Ich bitte Sie, Ihren Platz wieder einzunehmen, Miss, während ich die Strafe für den Angeklagten verkünde.“
Bethany blieb, wo sie war. Doch bevor der Richter die Anordnung geben konnte, sie mit Gewalt zu ihrem Platz zu bringen, sprang Noah plötzlich hervor, stellte sich neben Kane und legte beide Arme um ihn.
„Bitte, Mylord, stecken Sie ihn nicht ins Gefängnis. Er ist wie … wie ein Vater für uns alle. Er gibt uns das Gefühl, etwas Besonderes zu sein trotz unserer Herkunft.“
„Danke, mein Junge. Setz dich bitte wieder hin.“
„Aber es gibt noch mehr zu sagen.“ Zwar waren Noahs Augen vor Angst geweitet, doch unbeirrt sprach er weiter. „Meinen eigenen Vater habe ich nie gekannt. Aber ich habe mir immer vorgestellt, er müsste wie Seine Lordschaft sein. Und ich bete jede Nacht darum, dass er mich in sein Haus aufnimmt und zu seinem Sohn macht.“
Unter den Zuschauern brach Unruhe aus.
Der Richter neigte sich zu Noah herunter. „Warum?“
„Weil er so … gut und edel und wunderbar ist, Mylord.“
„Aber er ist ein gemeiner Dieb, Junge.“
„Ja, aber es gab mal einen anderen Dieb, der wurde nur der gute Dieb genannt. Und auf seinem Sterbebett wurde ihm von einem, der neben ihm ebenfalls im Sterben lag, das Paradies versprochen.“ Noah begann zu weinen. „Sie können doch nicht weniger tun für unseren Earl als das, was für den guten Dieb getan wurde, Sir,“, stieß er schluchzend hervor.
„Hat der Diakon dir etwa gesagt, dass du diese Geschichte erzählen sollst?“, wollte der Richter in drohendem Tonfall wissen.
„Nein, Mylord, der Earl of Alsmeeth hat mir davon erzählt, als ich selbst mal gestohlen hatte. Zuerst brachte er mich dazu, dass ich die Münze dem rechtmäßigen Besitzer zurückgab. Und als ich mich hinterher so furchtbar schämte, hat er mir die Geschichte erzählt.“
„Und, Junge, hast du jemals wieder gestohlen?“
„Niemals wieder. Ich wollte, dass der Earl stolz auf mich ist, damit er mich vielleicht eines Tages für würdig erachten würde, sein Sohn zu werden.“
Die Leute drängelten und schoben, um einen besseren Blick auf Noah und den Angeklagten werfen zu können. Unter den Zuschauern war die allgemeine Aufregung deutlich spürbar.
„Wärter, bringt den Jungen von hier fort“, rief der Richter.
„Sehr wohl, Mylord.“ Zwei Wärter rissen den strampelnden Noah von Kane los und übergaben ihn an Diakon Welland, der den Jungen mit aller Macht am Weglaufen hindern musste. Noah weinte jetzt bitterlich.
„Wenn das nun alles wäre …“
Bevor er seinen Satz zu Ende bringen konnte, ging Bethany schnell zu Kane und stellte sich dicht neben ihn. „Bitte, Mylord, gestatten Sie mir noch einige Worte. Kane Preston ist der beste, ehrlichste Mann, den ich je getroffen habe. Er verbrachte mehrere Monate im Gefängnis, weil er fälschlicherweise des Mordes an seinem Vater bezichtigt worden war. Jetzt wissen wir, dass sein Vetter die abscheuliche Tat beging. Kane Preston musste es ertragen, dass sein Name in den Schmutz gezogen, das Vermögen seiner Familie gestohlen wurde, seine Frau sich umbrachte und sein geliebter Vater durch die Hand Oswald Prestons sterben musste. Trotz all dieser furchtbaren Erlebnisse blieb er zu jeder Zeit gütig und großzügig. Er hätte sein Geheimnis, der Lord der Nacht gewesen zu sein, mit sich ins Grab nehmen können, und niemand hätte etwas davon geahnt. Doch er war bereit, um der Wahrheit willen sein Glück, sein Vermögen und sein Leben in die Waagschale zu werfen. Ich bitte Sie, lassen Sie ihn frei!“
Der Richter bedachte sie mit einem bitterbösen Blick. „Sind Sie endlich fertig, junge Dame?“
Bethany war außerstande, noch ein einziges Wort zu sagen. Sie nickte nur und schluckte unter Aufbietung aller Selbstbeherrschung ihre Tränen herunter.
„Sehr gut. Also: Zunächst einmal, Kane Preston, muss ich Ihnen sagen, dass ich für Diebstahl keine Entschuldigung gelten lasse. Da jedoch alles an die rechtmäßigen Besitzer zurückgegeben wurde, handelt es sich bei Ihrem Vergehen bei genauer Betrachtung eigentlich nicht um Diebstahl. Um ehrlich zu sein: Ich weiß nicht, wie ich es nennen soll. Aber ich weiß, dass ich Sie für Ihre Taten nicht ins Gefängnis schicken kann.“
Bei diesen Worten brach tumultartiger Lärm im Saal aus. Erst als der Richter entschlossen auf seinen Tisch klopfte, beruhigte sich die aufgebrachte Menge wieder.
„Und jetzt möchte ich noch sagen, dass ich in
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