HISTORICAL JUBILÄUM Band 03
habt.“
Er setzte sich auf und strich sich mit einer Hand über die weißen Bartstoppeln am Kinn. „Er sagte mir, dass er dich liebt, Bethany. Und weil er dich liebt, hat er das Gefühl, ehrlich sein zu müssen, selbst auf die Gefahr hin, dass er zurück ins Fleet-Gefängnis muss.“
„Fleet-Gefängnis?“
„Dort werden Diebe und Mörder eingekerkert. Und Kane gestand mir, dass er es war, der als Lord der Nacht reiche Reisende überfallen und ausgeraubt hat.“
„Und du hast ihm geglaubt?“
Geoffrey griff nach ihrer Hand. „Ich halte Kane Preston für einen durch und durch ehrlichen Mann. Wenn er so etwas sagt, dann muss es wohl stimmen.“
„Weißt du eigentlich, was du da sagst, Großvater? Du hältst ihn für einen ehrlichen Mann und gleichzeitig für einen Dieb? Wie passt das deiner Meinung nach zusammen?“
„Nun ja, das ergibt in der Tat keinen Sinn. Trotzdem glaube ich ihm, was er gesagt hat.“
Bethany stand an der Tür, und überrascht fragte Geoffrey: „Wohin gehst du, mein Kind? Was hast du vor?“
„Ich muss nach Land’s End und Kane daran hindern, einen furchtbaren Fehler zu machen.“
Niemals zuvor war Bethany so schnell und so hart geritten. Tief beugte sie sich über Laceys Nacken und trieb die kleine Stute zu immer schnellerem Tempo an. Als sie in Land’s End vor dem Gasthaus ankamen, sprang sie behände aus dem Sattel, band das Pferd an einen Pfahl und ging eilig in das Gebäude hinein.
Wie immer, so standen auch jetzt mehrere Seeleute in dem Schankraum um einen großen hölzernen Tisch herum. In einer Ecke redeten sich einige Männer die Köpfe heiß wegen der Schießerei, die der Wegelagerer angezettelt hatte. Einer von ihnen zeigte seine frischen Verbände, und Bethany dankte im Stillen ihrem Schicksal, das ihr genau den Mann geschickt hatte, den sie jetzt am dringendsten brauchte.
Der Schankwirt stand inmitten der Menge und reichte gefüllte Becher herum. Als die Männer Bethanys ansichtig wurden, verstummten sie.
„Ich suche die Gesandten des Bürgermeisters von London“, erklärte Bethany.
Der Wirt deutete auf eine Tür. „Sie sind dort drinnen. Zusammen mit dem Earl of Alsmeeth.“
„Vielen Dank.“ Bethany machte Anstalten, in die angegebene Richtung zu gehen.
„He, Mädchen, du kannst da nicht rein“, rief der Wirt hinter ihr her, doch sie nahm keine Notiz von ihm, sondern stieß die Tür auf und trat in den angrenzenden Raum.
Im nächsten Moment war der Wirt bereits hinter ihr, das Gesicht gerötet, weil es ihm peinlich war, Bethany nicht zurückgehalten zu haben. „Verzeihen Sie mir, Mylord. Ich habe versucht, der jungen Frau Einhalt zu gebieten, aber sie lehnte es schlichtweg ab, auf mich zu hören.“
„Ist schon in Ordnung.“ Kane und drei weitere Männer, diese mit äußerst grimmigen Mienen, erhoben sich von ihren Stühlen, doch Kane war der Einzige, den Bethany in diesem Augenblick wahrnahm.
Seine Verbände waren bereits blutdurchtränkt, seine Augen rot gerändert und trugen einen zu Tode erschöpften Ausdruck. Doch er hatte die Lippen so fest aufeinandergepresst, dass er hart und unerbittlich wirkte. Er strahlte eine Entschlossenheit aus, die Bethany Angst einflößte.
Einer der Männer, der eisgraue Augen und einen buschigen Vollbart hatte, sprach mit einer gewissen Autorität. „Es scheint eine Nacht zu sein, in der alle möglichen ungewöhnlichen Dinge geschehen. Seine Lordschaft hat bereits gegen seinen Vetter ausgesagt.“ Er deutete auf Oswald Preston, der immer noch wie ein Bündel verschnürt war und in einer Ecke auf dem Boden lag. „Und der Earl of Alsmeeth erklärte uns überdies, dass er selbst auch ein Geständnis abzulegen habe.“
Bethany wurde vor Erleichterung ganz schwindlig. Sie war gerade noch rechtzeitig eingetroffen. Kane hatte die Worte, die ihn unweigerlich zurück ins Gefängnis bringen würden, noch nicht gesagt.
„Also, Miss, was haben Sie auf dem Herzen?“
Ihre Gedanken überschlugen sich, und sie rang die Hände. „In der gerade vergangenen Nacht wurde ich von dem Lord der Nacht entführt.“
Die Männer richteten sich unmerklich auf. Ihr Interesse war erwacht. „Von dem gefährlichen Gesetzlosen?“
„Ja, er ist sehr gefährlich. Er verletzte mich mit seinem Messer am Arm.“ Zum Beweis streckte sie den verletzten Arm aus und ließ die Männer einen Blick auf den Verband werfen. „Und dann hat er mir beinahe die Kehle durchgeschnitten.“ Sie knöpfte den Kragen ihres Kleides auf, sodass die
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