HISTORICAL JUBILÄUM Band 03
nach Abenteuern und nach der endlosen See.
Riordan blies die Kerzenflamme aus, bevor er sein Schlafgemach verließ. Als er an Ambrosias Zimmer vorbeikam, verhielt er einen Moment lang den Schritt. Aufmerksam horchte er auf das leiseste Geräusch, das ihm verraten würde, dass Ambrosia ebenfalls wach war.
Er hörte nichts und ging lächelnd weiter. Vielleicht war ihm von einem gnädigen Schicksal ein Aufschub gewährt worden, indem Ambrosia die Abreise verschlief und die Undaunted ohne sie auslaufen würde.
Riordans Lächeln vertiefte sich noch, während er die breiten Stufen hinunter in die Eingangshalle ging und dort durch die unverschlossene Tür ins Freie trat. Er war heilfroh, nicht dabei sein zu müssen, wenn Ambrosia aufwachte und feststellte, dass Riordan mit der Besatzung ohne sie abgelegt hatte.
Zügig marschierte er über den Strand. Seinen Seesack hatte er über die Schulter geworfen. Newton saß bereits in dem kleinen Ruderboot, hielt eine Laterne hoch und war bereit, zu dem großen Segler überzusetzen.
„Morgen, Newt“, begrüßte Riordan ihn. „Hast du Ambrosia gesehen?“
„Nein, Capt’n, aber ich würde mir an Ihrer Stelle darüber keine Gedanken machen. Das Mädchen ist viel zu aufgeregt, als dass es die Abfahrt verpassen würde.“
„Wenn du es sagst …“ Riordan warf sein Gepäck ins Boot und schob den alten Mann ein wenig zur Seite. „Lass mich rudern“, sagte er. „Ich muss mich unbedingt körperlich betätigen.“
Während er nun die Ruder in gleichmäßigem Rhythmus ins Wasser tauchte und durchzog, lächelte Newton verständnisvoll. „Aufgeregt, was?“
„Allerdings. Ich war zu lange an Land. Mein ganzer Körper schreit förmlich nach Meer und Wind.“
„Mir geht es ähnlich“, verriet der alte Mann und schaute prüfend auf das dunkle Wasser, das sich nur wenig an der Oberfläche kräuselte. „Alles ruhig“, verkündete er. „Und so wird es vorläufig auch bleiben. Zumindest auf dem ersten Teil unserer Reise sollten wir gutes Wetter haben.“
„Hoffentlich hast du recht“, erwiderte Riordan. „Dann wird es ein einfacher Trip die Küste hinauf und wieder herunter.“ Riordan holte die Ruder ein, denn sie hatten fast ihr Ziel erreicht. Als sie die Strickleiter erreichten, die seitwärts von dem großen Schiff über die Reling hing, griff er sich seinen Seesack und machte sich an den Aufstieg. „Newt, du bringst die Mannschaft her, sobald sie drüben an Land eintrifft.“
„Jawohl. Ich kann bereits ihre Laternen sehen. Wir werden bald alle hier sein.“
Riordan hatte sich noch nicht einmal über die Reling geschwungen, als das kleine Ruderboot schon wieder in der Dunkelheit verschwunden war. Nur ein leises Plätschern beim Eintauchen der Ruder war noch vernehmbar.
Riordan blieb eine Weile an Deck stehen und atmete tief die würzige Seeluft ein. Er genoss die rollenden, stampfenden Bewegungen unter seinen Füßen und das Gefühl, sich auf schwankendem Boden zu befinden.
Er sah, wie drüben am Ufer das kleine Boot jetzt von Laternen erleuchtet wurde und abermals Kurs auf die Undaunted nahm. Zufrieden griff er nach seiner Laterne und dem Seesack und machte sich auf den Weg zu seiner auf dem unteren Deck liegenden Kajüte.
Er stieß die Tür auf, trat ein und stellte die Laterne auf dem Tisch ab, bevor er seinen Sack in den dafür vorgesehenen Wandschrank warf. Dann nahm Riordan aus einer der Halterungen an der Wand eine Seekarte heraus, entrollte sie und beugte sich alsdann darüber, nachdem er sie an einer Ecke mit der Laterne beschwert hatte.
Plötzlich hörte er hinter sich einen Laut und fuhr herum. Er sah eine Gestalt in seiner Koje sitzen und griff nach dem Messer, das er im Hosenbund verborgen hielt. Im nächsten Moment schon hielt er die Gestalt in festem Griff und presste die Messerspitze an deren Hals.
„Halt, Riordan.“
Beim Klang der verführerisch heiseren Stimme erstarrte er. Langsam ließ er die Hand mit dem Messer sinken. „Ambrosia! Du hier? Was machst du …?“ Er trat einen Schritt zurück und betrachtete sie wachsam.
Sie sah aus wie eine Zigeunerin. Die dunkle Haarpracht fiel ihr in ungeordneten Wellen bis weit über die Schultern. Die Augenlider waren noch schwer vom Schlaf, und das dunkelrote Hemd war Ambrosia in äußerst verführerischer Weise über eine Schulter gerutscht und entblößte samtig schimmernde Haut. Riordan spürte, wie jäh Hitze in ihm aufstieg.
„Ich habe die Nacht hier an Bord verbracht“, erklärte
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