HISTORICAL JUBILÄUM Band 03
noch immer nicht so recht glauben, was er da gehört hatte.
„Kommst du zum Tee herein?“, rief Darcy ihm nach, als er sich zum Gehen wandte.
Er drehte sich um und sah, dass alle drei ihn anlächelten. „Es ist ja schon bald Zeit fürs Dinner“, entgegnete er. „Ich denke, ich werde die Zeit bis dahin nutzen, um noch einmal die Reparaturarbeiten zu überprüfen.“
„Ist das Schiff fertig? Kann es wieder in See stechen?“ Ambrosias Stimme klang vor Aufregung höher als sonst.
„Sieht so aus.“
„Wann kann sie einen neuen Auftrag übernehmen?“
„Mir ist zu Ohren gekommen, dass ein englisches Schiff, die Dover , ein Stück weiter die Küste hinauf auf Grund gelaufen ist. Sie hat Tee und Gewürze aus Indien geladen.“
„Wohin soll sie fahren?“
„Ihr Zielhafen ist zufällig Land’s End, und der Kapitän hat dringend Hilfe angefordert, damit nicht ein Verbrecherschiff von den Schwierigkeiten erfährt und die Ladung für sich als Bergungsgut beansprucht. Es wird nicht länger als ein oder zwei Tage dauern, die Dover aus ihrer misslichen Lage zu befreien. Ich dachte mir, das wäre eine gute Gelegenheit, herauszufinden, wie leistungsfähig die Undaunted nach all den Ausbesserungsarbeiten wieder ist.“
„Wunderbar! Ausgezeichnet!“, rief Ambrosia freudig aus. „Wann stechen wir in See?“
Das Wörtchen „wir“ verursachte Riordan beinahe Übelkeit, obwohl er erwartet hatte, dass Ambrosia hellauf begeistert sein würde. „Ich hatte vor, morgen früh bei Sonnenaufgang loszusegeln.“
Ambrosia nickte zustimmend. „Dann werde ich dabei sein. Meine Schwestern und ich haben Halme gezogen, um zu entscheiden, wer von uns als Erste auf Fahrt geht. Mein Halm war der längste.“
Riordan wäre nicht im Geringsten überrascht gewesen, wenn Ambrosia bei dem Halmziehen einen Trick angewandt hätte. Es sähe ihr ähnlich, alles zu tun, um als Erste mit der Undaunted segeln zu können.
Er ließ den Blick zwischen Newton und Geoffrey hin und her gleiten. Die beiden alten Männer grinsten wie kleine Kinder – oder wie Narren. Vielleicht sind sie genau das, überlegte Riordan. Zwei alte Narren, umgeben von einigen jüngeren. Vielleicht war alles nur ein übler Scherz?
„In Ordnung. Ich möchte, dass Newt dich begleitet.“
„Wirklich?“ Die Augen des Alten leuchteten auf. „Meinen Sie das tatsächlich, Captain?“
„Ja, allerdings. Irgendjemand muss ein Auge auf das Mädchen haben.“ Mit leiser Genugtuung sah er, wie Ambrosia bei seinen Worten die Stirn runzelte, und fügte hinzu: „Und sag bitte Mistress Coffey, dass ich doch nicht zum Dinner kommen werde.“
„Wo werden Sie denn zu Abend essen?“
„In der Taverne im Dorf. Gleichzeitig kann ich dann nämlich die Mannschaft anheuern.“ Er wollte schon fortgehen, doch dann fiel Riordan noch etwas ein. „Ambrosia, wir werden Land’s End bei Tagesanbruch verlassen. Wenn du zu spät kommst, wird die Undaunted ohne dich in See stechen.“
„Darf ich dich daran erinnern, dass ich die Eignerin des Schiffes bin?“
„Und ich erinnere dich daran, dass ich der Kapitän bin. Das bedeutet: Mein Kommando gilt.“
Ambrosia schaute nachdenklich hinter ihm her, die Stirn noch immer gerunzelt. Dann drehte sie sich um und folgte ihren Schwestern hinauf zum Haus.
Es sollte also ein reiner Willenskampf zwischen ihnen beiden werden, oder? Nun, den konnte er haben. Es wurde sowieso höchste Zeit, dass Riordan Spencer erkannte, dass eine Ambrosia Lambert es nicht gewohnt war, zu verlieren, und dass sie auch in dieser Sache ganz und gar nicht die Absicht hegte, ihm den Sieg zu überlassen. Außerdem war es im höchsten Maße unwahrscheinlich, dass sie ihre erste Gelegenheit, als vollwertiges Mannschaftsmitglied eine richtige Seereise zu unternehmen, verpassen würde.
Riordan packte seinen Seesack und zog seine Jacke an. Noch ein letztes Mal trat er ans Fenster, von dem aus er auf den Strand sehen konnte. Im Moment allerdings konnte er fast nichts erkennen, denn der Himmel war noch ziemlich dunkel. Auch das Schiff, das vor der Küste ankerte, konnte er nicht sehen, aber er fühlte dessen Nähe. Ein schmerzhaftes Sehnen durchströmte ihn.
Dieses Gefühl war ihm vertraut, seit er erstmals die Planken eines Seglers unter den Füßen gespürt hatte. Wann immer er kurz davor war, zu einer weiteren Reise in See zu stechen, brauchte er niemanden, der ihn rechtzeitig weckte. Essen und Trinken wurden in solchen Zeiten unbedeutend. Er verspürte nur den Drang
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