Historical Lords & Ladies Band 39
kommst. Ich darf mir gar nicht ausmalen, wie Vater reagieren würde, wenn du es wagen solltest, dich seinen Plänen zu widersetzen. Du wirst dich doch nicht weigern, Jim Veale zu heiraten?“
Sie senkte den Kopf. „Nein, ich werde mich nicht weigern.“
Robert Selborne war, wie es seiner Gewohnheit entsprach, früh aufgestanden. Er hatte, während die meisten Mitglieder der guten Gesellschaft noch tief schliefen, einen langen Spaziergang im Park unternommen, um sich innerlich auf das vorzubereiten, was ihn erwartete: die Brautschau auf der Hochzeitsfeier seiner Cousine Anne.
Am Tag zuvor hatte er zum ersten Mal seit seiner Rückkehr von Spanien Kontakt zu seiner Familie aufgenommen. Nach dem Gespräch mit Churchward hatte er Annes Mutter aufgesucht, um ihr mitzuteilen, dass er wieder im Land weilte und sich freuen würde, zu den Hochzeitgästen zu zählen.
Zu seinem heimlichen Entsetzen hatte er erfahren, dass nur eine kleine Feier geplant war. Seine Tante hatte ihm erklärt, dass Anne und ihr Bräutigam auf einer raschen Eheschließung bestanden hätten. „Natürlich müssen wir nun darauf Rücksicht nehmen, dass dein Vater und deine Großmutter erst vor einigen Monaten dahingeschieden sind. Niemand hätte Verständnis dafür, wenn wir während des Trauerjahrs ein großes Fest gäben.“
Tatsächlich fand die Trauung – wie Robert feststellen musste, als er die Kirche betrat – im kleinsten Kreis statt. Die meisten Bänke waren leer. Robert schaute sich mit wachsender Sorge um. Und als gleich darauf sein Cousin Ferdie Selborne sich neben ihm niederließ, fragte er flüsternd: „Das kann doch nicht die ganze Hochzeitsgesellschaft sein?“
„Doch. Mama hat darauf bestanden, nur die engsten Angehörigen einzuladen.“
„Fünfzig Leute etwa?“
„Eher vierzig.“
Robert unterdrückte ein Stöhnen. Von vierzig Gästen mochte etwa die Hälfte weiblich sein, davon vielleicht ein Drittel noch ledig. Sieben junge Damen also, die zur Auswahl standen? Nein, das war falsch, denn bei den Selbornes hatte es stets mehr Söhne als Töchter gegeben. Seine Tante Clarissa beispielsweise hatte fünf Söhne, aber keine einzige Tochter. Andererseits würde es Brautjungfern geben. Man durfte also die Hoffnung noch nicht aufgeben.
Wenig später spürte er, wie Verzweiflung sich in ihm ausbreitete. Drei der Brautjungfern gingen zweifellos noch zur Schule. Die vierte war seine Cousine Augusta Selborne. Alle anderen anwesenden Damen waren, mit einer Ausnahme, längst über das heiratsfähige Alter hinaus. Die Ausnahme bildete Lady Caroline Spencer, die – wie jedermann wusste – eine leichtlebige Frau war. Warum, um Himmels willen, hatte man sie überhaupt eingeladen? Im Allgemeinen blieb sie wegen ihres schlechten Rufs von allen vornehmen Gesellschaften ausgeschlossen.
Nach der Trauung, die der Pastor mit der gebührenden Feierlichkeit vollzog, schritt das Brautpaar den Gästen voraus zum Ausgang. Robert, der es nicht eilig hatte, die Kirche zu verlassen, trat gerade aus der Tür, als ein hübscher, traditionell gekleideter Schornsteinfeger die frischgebackene Ehefrau in die Arme schloss und ihr einen herzhaften Kuss gab.
Ich könnte wahrhaftig auch etwas Glück gebrauchen, fuhr es Robert durch den Kopf, aber von einem Mann würde ich mich deshalb wohl doch nicht küssen lassen.
Dann bemerkte er, dass der Schornsteinfeger offenbar seine Gattin mitgebracht hatte. Eine junge Frau in glänzendem schwarzen Rock, weißer Bluse und dunklem Spenzerjäckchen stand am Rand der Menge, die sich um das Brautpaar versammelt hatte. Sie hatte kohlschwarzes Haar sowie eine zierliche und dabei gleichzeitig überaus weibliche Figur. Ihr Rock war ein bisschen kurz und gab den Blick auf ein paar hübsche Fesseln frei. In diesem Moment wandte sie sich um, sodass Robert ihr ovales Gesicht, die großen, weit auseinander stehenden Augen und die überraschend helle Haut sehen konnte.
Ohne sich über seine Beweggründe Rechenschaft abzulegen, machte er sich auf den Weg zu ihr. Als er noch vier oder fünf Schritte von ihr entfernt war, wurde ihm klar, dass sie kleiner war, als er angenommen hatte. Sie reichte ihm kaum bis zur Schulter, und vermutlich hätte er ihre Taille mit seinen Händen umspannen können.
Jemima hatte mit einem amüsierten Lächeln beobachtet, wie die Braut strahlte, als Jack sie in die Arme schloss und küsste. Wahrhaftig, das Dummerchen sah aus, als sei es eher in den schmucken Schornsteinfeger verliebt als in den
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