Historical Lords & Ladies Band 39
wurde noch etwas finsterer. „Allerdings.“
„Ist Ihnen weiterhin bewusst, dass Delaval, obwohl es ein Anwesen ist, das unter normalen Bedingungen ausreichend Gewinn abwirft, seit jener Grippe-Epidemie, die Ihren Vater und so viele andere dahingerafft hat, sehr vernachlässigt worden ist?“
Der Earl seufzte. „Das war zu erwarten, nicht wahr? Aber ich nehme an, Sie wollen mir zu verstehen geben, dass der Zustand des Gutes noch wesentlich schlechter ist, als ich bisher vermutet habe.“
„Leider, Mylord.“
„Ich bin noch nicht dazu gekommen, Delaval einen Besuch abzustatten.“ Robert erhob sich, trat zum Fenster und starrte auf die Straße hinaus. „Sie sollen wissen, Churchward, dass ich England nicht verlassen habe, weil meine Familie oder der Besitz mir gleichgültig sind.“
Der Anwalt erwiderte nichts darauf. Er kannte den jungen Selborne seit Jahren und hatte nie daran gezweifelt, dass er seine Angehörigen ebenso liebte wie das Gut, auf dem er aufgewachsen war.
„Ich wünschte“, sagte Robert, „ich wäre nicht so lange weg gewesen.“ Obwohl er sehr leise sprach, brachte seine Stimme deutlich zum Ausdruck, was er fühlte.
„Ihr Herr Vater“, erklärte Churchward behutsam, „hat als junger Mann eine große Europareise gemacht. Er war damals drei Jahre lang fort.“
Selborne wandte sich um, und ihre Blicke trafen sich. „Danke.“
Schweigen senkte sich über den Raum. Schließlich nahm Robert seinen Platz vor dem Schreibtisch des Anwalts wieder ein. „Wann genau findet die Hochzeitsfeier meiner Cousine Anne statt?“
„Morgen Vormittag.“ Jetzt war es Churchward, der seufzte. Diese ganze Angelegenheit gefiel ihm nicht. Zu Beginn des Jahres hatte Lord William Selborne ihn rufen lassen, weil er im Sterben lag. Er hatte darauf bestanden, sein altes Testament um diesen ungewöhnlichen Zusatz zu erweitern. Churchward hatte wiederholt darauf hingewiesen, dass er die Bedingung für unnötig hielt. Doch der todkranke Earl hatte sich nicht umstimmen lassen. Er wollte auf jeden Fall verhindern, dass sein Sohn den Titel erbte, ohne die Verantwortung für Delaval zu übernehmen. Er hatte befürchtet, das Soldatenleben könne Robert mehr bedeuten als der Familienbesitz.
Sobald der Anwalt nach London zurückgekehrt war, hatte er eine dringende Mitteilung an Robert Selborne geschickt, der sich zu jenem Zeitpunkt irgendwo in Spanien aufhielt. Unglücklicherweise hatte der Brief sein Ziel nie erreicht. Einen Monat später hatte Churchward erneut geschrieben, denn es gab traurige Neuigkeiten: Lord William Selborne hatte die Influenza dahingerafft, und seine Gattin sowie seine Mutter waren ebenfalls schwer erkrankt.
Dieses Botschaft hatte Robert erhalten. Der junge Mann hatte sofort seinen Abschied genommen und sich auf die Rückreise nach England gemacht. Dennoch vergingen mehrere Wochen, ehe er schließlich in London eintraf. Zu diesem Zeitpunkt waren auch seine Mutter und seine Großmutter schon lange begraben.
Die Nachricht traf Robert Selborne zwar nicht unvorbereitet, aber der Tod so vieler Angehöriger musste trotzdem ein Schock für ihn sein. Zusätzlich erschwert wurde seine Situation durch die Tatsache, dass es in Delaval unendlich viel zu tun gab, wenn man den ehemals blühenden und inzwischen völlig verwahrlosten Besitz wieder instand setzen wollte. Das wiederum war nur mit großen, kostenträchtigen Investitionen zu leisten. Und diese konnte der neue Earl nur vornehmen, wenn er über eine Menge Geld verfügte. Das aber würde nur dann der Fall sein, wenn er die Bedingung erfüllte, die sein Vater testamentarisch festgelegt hatte. Denn andernfalls würde das so dringend benötigte Barvermögen Roberts Cousin Ferdie Selborne zufallen.
„Ich muss morgen also eine Braut finden“, stellte der junge Lord fest. Das Lächeln, das um seinen Mund spielte, war bitter. „Vermutlich sollte ich mir Gedanken um meine Garderobe machen und vor allem versuchen, mich daran zu erinnern, wie ein echter Gentleman sich verhält. Ich war so lange im Krieg, dass ich vergessen habe, wie man sich bei den Damen beliebt macht.“ Er schüttelte den Kopf und stieß ein kurzes, freudloses Lachen aus. „Ich frage mich, welche Frau bereit ist, innerhalb von vier Wochen nach der ersten Begegnung mit ihrem Bräutigam vor den Traualtar zu treten. Papa hat, wie ich fürchte, nicht bedacht, welch umfangreiche Vorbereitungen eine Hochzeit erfordert.“
Der Anwalt atmete auf. „Sie haben sich also entschlossen, den
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