Historical Lords & Ladies Band 40
bezweifelte Giles, dass sie genau die Richtige für Christian war – liebenswert, warmherzig und klug. Er freute sich schon jetzt auf den Tag, wo er sie seine Schwägerin nennen würde.
Plötzlich unterbrach ein lautes Klopfen seine angenehmen Zukunftsträume, und ein fremder Mann trat ein, den Arm voller gestärkter Krawatten. „Für Sie, junger Herr“, verkündete er mit ausgeprägtem Londoner Akzent und schleuderte die Krawatten auf den Toilettentisch.
Giles warf einen gequälten Blick auf das feine Leinen, bevor er den kleinen, stämmigen Burschen musterte, dessen mehrfach gebrochene Nase auf seine Neigung zu Schlägereien hindeutete. „Und wer, zum Teufel, sind Sie?“, fragte er in ärgerlichem Ton, um seinen Unmut angesichts der misshandelten Krawatten zu bekunden.
„Henry Crabtree, zu Ihren Diensten, Sir“, stellte sich der Mann vor. Mit einem breiten Grinsen entblößte er zwei Zahnlücken, was seine äußere Erscheinung nicht verschönerte. „Der neue Kammerdiener des Hausherrn.“
„Was?“, rief Giles ungläubig. Hatte Christian den Verstand verloren? Angewidert musterte er den Kerl von oben bis unten. „Ist mein Bruder zurückgekehrt?“
„Aye, Sir. Vor etwa einer Stunde sind wir eingetroffen. Jetzt zieht er sich in seinem Schlafzimmer um. Und weil er mich nicht braucht, hat er mich zu Ihnen geschickt.“
„Tatsächlich?“, erwiderte Giles, ohne sein Misstrauen zu verbergen. „Dann gehen Sie wieder zu meinem Bruder, guter Mann, und sagen Sie ihm, ich wüsste sein Angebot zu schätzen, würde aber sehr gut allein zurechtkommen.“
„Wie Sie wollen, Sir.“ Nach einer ungelenken Verbeugung verließ Crabtree das Zimmer und warf die Tür hinter sich zu.
Der Mann ist ebenso wenig ein Kammerdiener, wie ich selber einer bin, dachte Giles. Was, um Himmels willen, hatte Christian bewogen, ihn einzustellen? In der Londoner Unterwelt würde sich Crabtree sicher heimischer fühlen als im Schlafzimmer eines Gentlemans.
Hastig beendete Giles seine Toilette, eilte nach unten und erfuhr von Wilks, sein Bruder sei bereits in den Salon gegangen. Dort traf er Christian allein an, in seinem Lieblingssessel vor dem Kaminfeuer, ein Glas Burgunder in der Hand, mit jenem zufriedenen Lächeln, das er neuerdings sehr oft zeigte.
Aus den Augenwinkeln sah er seinen jüngeren Bruder eintreten. „Ah, Giles – gut, dass du kommst! Schenk dir irgendwas ein. Bevor die Damen erscheinen, haben wir noch ein paar Minuten für uns.“
Giles entschied sich für Wein. Er hatte das Gefühl, dass er ihn dringend brauchte. „Was, zum Teufel, soll das?“, stieß er hervor, nachdem er den Inhalt des Glases in einem Zug geleert hatte, und begegnete einem Blick unschuldigen Erstaunens. „Wer ist dieser komische Kauz, den du aus London mitgebracht hast?“
„Natürlich mein neuer Kammerdiener. Wer sollte er sonst sein?“
„Kammerdiener!“, wiederholte Giles verächtlich. Eine Zeit lang musterte er seinen Bruder, las die Belustigung in den dunklen Augen, und plötzlich ging ihm ein Licht auf. „Ein Polizist! Das hätte ich mir denken können.“
„Ja, bedauerlicherweise merkt man ihm seinen wahren Beruf sofort an“, gab Christian zu. „Aber da die Zeit drängte, musste ich nehmen, was verfügbar war. Sein Partner fällt weniger auf, und so habe ich ihn ersucht, im Dorfgasthof Wache zu halten.“
„Im Dorfgasthof?“ Sichtlich interessiert setzte sich Giles seinem Bruder gegenüber.
Christian nickte. „Inzwischen glaube ich zu wissen, wer in Moor House eingebrochen ist und mich angeschossen hat. Zu meinem Leidwesen fehlen mir dir Beweise, und bevor ich mir Gewissheit verschafft habe, bitte ich dich, keine Fragen mehr zu stellen. Erzähl mir stattdessen, was hier geschehen ist. Hast du die Damen in meiner Abwesenheit gut unterhalten?“
Diesen Tonfall, der keinen Widerspruch duldete, kannte Giles zur Genüge, und so bezähmte er seine Neugier. „Wie du weißt, unterhält sich Cousine Matilda meistens selber. Von morgens bis abends näht sie. Aufgrund ihrer Situation ist das begreiflich, und es ehrt sie, dass sie dich nicht für alles bezahlen lässt. Wie gehen die Reparaturarbeiten in ihrem Haus voran? Warst du auch in Surrey?“
„Ja, und das ist einer der Gründe für meine Verspätung. Dank des schönen Wetters konnten die Dachdecker ihre Arbeit abschließen. Nun muss in den Räumen noch einiges instand gesetzt werden. Aber wenn sie will, kann sie am Monatsende in ihr Heim
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