Historical Lords & Ladies Band 40
nahm an ihrer Seite Platz und ermunterte sie, von ihrem Leben in Somerset zu erzählen. Während Megan nur mit halbem Ohr zuhörte, fragte sie sich, ob sie diesen Mann jemals wirklich gekannt hatte, der ein scheues junges Mädchen so mühelos aus der Reserve locken konnte. Ein Mensch, der ein furchtsames Geschöpf zu beschwichtigen vermochte, war sicher nicht schlecht – und keineswegs das Monstrum, für das Charlotte ihn hielt. „Tut mir leid, Sophie, ich habe nicht zugehört“, entschuldigte sie sich, als sie merkte, dass ihre Nichte sie angesprochen hatte.
„Mr Blackmore möchte mich in sein Haus holen, sobald er eine passende Anstandsdame eingestellt hat.“
„Das weiß ich, mein Liebes“, erwiderte Megan und versuchte, ihre bittere Enttäuschung zu verbergen. „Hast du bisher niemanden gefunden, Christian?“
„Nein, aber da dürfte es keine Schwierigkeiten geben.“ Der Glanz in seinen Augen behagte ihr nicht. „Wie ich Sophie soeben erklärt habe, darf sie ihre Tanten jederzeit besuchen, wenn sie bei mir wohnt. Am Anfang wird sie sich sicher fremd in meinem Haus fühlen, und sie könnte sich vermutlich schneller eingewöhnen, wenn du sie nach Dorset begleiten und ein paar Wochen dort bleiben würdest.“
„Oh, dann würde es mir überhaupt nichts ausmachen!“, jubelte Sophie, bevor ihrer armen Tante die volle Bedeutung dieser erschreckenden Worte bewusst wurde. „Und wenn Tante Megan bei mir lebt, brauche ich auch keine Anstandsdame“, schlug das Mädchen unschuldig vor.
„Vielleicht nicht, Kind. Aber deine Tante würde eine Anstandsdame brauchen, da sie sich noch nicht im Greisenalter befindet“, fuhr er fort und warf Megan einen provozierenden Blick zu. Am liebsten hätte sie ihn geohrfeigt. „Und deshalb muss ich deine Tanten bitten, dich noch eine Weile zu beherbergen, bis ich eine geeignete Anstandsdame gefunden habe.“
„Bitte – du kommst doch mit mir, Tante Megan?“ Sophie sprang auf, eilte zu ihr und ergriff ihre Hände. Plötzlich hatte Megan das Gefühl, in einer Falle zu sitzen.
„Nun ja, Liebes, ich bin mir nicht sicher …“, versuchte sie sich aus der Affäre zu ziehen und beobachtete, wie Christian die Brauen hob. „Da gibt es einiges zu bedenken. Zum Beispiel würde deine Tante Charlotte glauben, ich ließe sie im Stich. Wo steckt sie eigentlich? Ich dachte, sie hätte dich nach Hause gebracht.“
„Ja, das hat sie getan. Aber du weißt ja, wie langsam sie geht. Und so bin ich ihr vorausgerannt. Jetzt müsste sie jeden Augenblick kommen.“
Wenig später erklang Charlottes Stimme in der Halle, dann betrat sie den Salon. Angesichts der Umstände wirkte sie erstaunlich gefasst.
„Zweifellos erinnerst du dich an Mr Blackmore“, sagte Megan.
Erleichtert atmete sie auf, als Charlotte den Besucher zwar nicht erfreut, aber einigermaßen höflich begrüßte. Auch sie dankte ihm für die Betreuung ihres kranken Bruders. Danach überließ sie die Konversation ihrer Schwester und ihrer Nichte. Falls Christian die feindselige Haltung der älteren Frau wahrnahm, war ihm nichts davon anzumerken.
Glücklicherweise zog er seinen Aufenthalt nicht in die Länge. Nachdem er sich verabschiedet hatte, bat Charlotte das Mädchen, ihr ein Taschentuch zu holen, weil sie mit Megan unter vier Augen sprechen wollte. „Ist er damit einverstanden, dass Sophie bei uns bleibt?“
„Leider nicht“, seufzte Megan. „Sie soll zu ihm nach Moor House ziehen. Aber er hat betont, sie dürfe uns jederzeit besuchen.“
„Immerhin etwas.“ Mühelos erkannte Megan die Enttäuschung und Bitterkeit, die in der leisen Stimme mitschwangen.
Aus ihr unerfindlichen Gründen begann sie, Christian wieder zu verteidigen. „Meine Liebe, sicher hat er seinen Entschluss nicht aus Bosheit gefasst.“
„Natürlich nicht“, bestätigte Charlotte, da sie sich nicht ungerecht verhalten wollte. „Wie du sehr richtig bemerkt hast, kannte ich ihn nicht so gut wie du. Aber soweit ich mich entsinne, fand ich ihn niemals bösartig. Er hat sich sehr verändert“, fügte sie nachdenklich hinzu. „Früher wirkte er nicht so sarkastisch.“
Megan ging zum Fenster und blickte über den kleinen Vorgarten hinweg zur Straße. „Meiner Ansicht nach ist er eher unglücklich. Ich glaube, er ist noch immer nicht über den Tod seiner Frau hinweggekommen. Und das beweist doch, dass er zu edleren Gefühlen fähig ist, nicht wahr?“
Darauf gab Charlotte keine Antwort. „Wann wird Sophie uns
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