Historical Platin Band 04
Männer im Schiff ruderten, doch dann bewegten sich die Riemen nicht mehr, denn die ganze Mannschaft stand auf und brüllte. Meradyce entdeckte Einar, der sich im Schiff eilig zum Bug bewegte.
Wie eine Wahnsinnige rannte sie zum Anleger. Vor überschäumender Freude lachte und weinte sie zur selben Zeit.
Noch ehe das Schiff festgemacht hatte, sprang Einar schon über Bord und rannte auf Meradyce zu. „Meradyce, Meradyce!“, flüsterte er immer und immer wieder. Er küsste ihre Wangen, ihr Haar, ihre Lippen, und sie hielt sich an ihm ganz fest, weil sie sonst von ihren Empfindungen umgeworfen worden wäre.
Es war vorüber! Einar war zu ihr heimgekehrt!
Die anderen Männer stiegen nun auch aus dem Schiff und suchten nach ihren Gemahlinnen und Kindern. Die Frauen, die jetzt keine Ehemänner mehr hatten, wischten sich die Tränen fort und lächelten über das Glück der anderen.
Spät in dieser Nacht kuschelte sich Meradyce in ihrem Bett unter den Pelzdecken an ihren Gemahl. „Ich freue mich, dass Hamar jetzt der Häuptling ist“, sagte sie leise. „Er wird ein weiser Führer sein.“
Lächelnd schlang Einar die Arme um sie. „Ich hätte angenommen, du würdest lieber deinen Ehemann als Häuptling sehen.“ Er tat sehr beleidigt.
„O nein!“ Sie küsste ihn auf die Wange. „Ich will dich mit niemandem teilen, und besonders nicht mit dem ganzen Dorf.“
„Dann soll ich mir wohl auch keine zweite Ehefrau nehmen?“
„Ganz gewiss nicht.“
„Doch ich soll dich mit unseren Kindern teilen.“
„Ja.“
Einar blickte sie plötzlich sehr besorgt an. „Diese Überfahrt … ob dem Kind dabei auch wirklich nichts geschehen ist?“
„Ihm geht es gut. Heute hat er mich ein paarmal getreten, also kann ich davon ausgehen, dass er gesund und kräftig ist. Im Übrigen hat mir Endredi immer Ruhe verordnet, und sie duldete keinen Widerspruch. Hätte es sie nicht gegeben, wären wir möglicherweise nicht heimgelangt.“ Sie warf Einar einen Seitenblick zu. „In gewisser Weise ist sie dir viel zu ähnlich.“
„Ull hat mir vor seinem Tod gesagt, er sei ihr Vater.“
„Hast du ihm geglaubt?“
„Ja, doch das spielt keine Rolle. Endredi ist meine Tochter.“
Meradyce wusste, dass Einar es aufrichtig meinte, und das machte sie sehr glücklich.
„Du hast eben ‚er‘ gesagt“, bemerkte Einar unvermittelt. „Er? Wird das Kind ein Knabe?“
„Nun, das kann man nie so genau wissen. Es könnte ebenso gut ein Mädchen werden.“
„Doch du glaubst, es wird ein Junge?“
Sie richtete sich auf den Ellbogen auf. „Wäre ein Mädchen denn so schrecklich?“
„Wenn es nach seiner Mutter kommt, wäre es alles andere als schrecklich.“
„Ich glaube, einige der jüngeren Männer sind wirklich sehr interessiert an Endredi, weißt du“, erzählte Meradyce nachdenklich. „Vielleicht solltest du langsam einmal an ihre Heirat denken.“
„Vielleicht. Im Augenblick würde ich jedoch lieber an dich denken. Und dich küssen. Und dich berühren …“ Er streichelte ihren nackten Rücken.
Meradyce seufzte glücklich, beugte sich hinab und küsste Einar zärtlich. „Falls wir einen Sohn bekommen, wie sollen wir ihn dann nennen?“
„Svend.“
Sie lächelte sowohl über Einars zuversichtliche Tonlage als auch über diesen Namen. „Und wenn es ein Mädchen wird?“
„Dann soll es Betha heißen.“ Er strich ihr sanft eine Träne von der Wange. „Bedauerst du etwas, Meradyce?“, fragte er leise.
„Nein. Nichts“, flüsterte sie und schmiegte sich glücklich und zufrieden in die Arme des Wikingers.
– ENDE –
Merline Lovelace
Der Ritter und die Lady
1. KAPITEL
Im Hornung des Jahres Unseres Herrn 1184
Mellisynt holte tief Luft und schaute den vor ihr stehenden Fremden aus weit geöffneten Augen an. „Ja, ich werde mich mit Euch vermählen, Monsieur d’Edgemoor.“
„Ihr wisst, dass Ihr noch wählen könnt, Madame de Trémont“, erwiderte er ruhig. „Ihr könnt Euch dank Eures Brautschatzes in einem Stift einkaufen und dort ein friedliches Dasein führen.“
„Dessen bin ich mir gewahr.“
Mellisynt sah die blauen Augen des Ritters mit eindringlichem Ausdruck auf sich gerichtet. Richard d’Edgemoor hatte ein markantes, sonnengebräuntes Gesicht, dunkle Brauen und schwarzes, an den Schläfen mit hellgrauen Fäden durchzogenes Haar. Um Augen und Mund hatte er tiefe Falten, und die Nase war offenbar mehr denn einmal gebrochen worden. Sein Äußeres
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