Historical Platin Band 04
flussabwärts zur See hin richten. Wir werden rudern müssen, denn der Wind reicht für das Segel nicht aus.“
Endredi und Reinhild banden die Taue los, während Ilsa zum Heck ging und den Frauen sagte, wohin sie sich zu setzen hatten. Anschließend nahm sie den Platz am Steuerruder
ein.
„Gunnhild! Hilf mir, das Ruder festzuhalten.“
Das Schiff tat genau das, was Ilsa von ihm erwartete; es bewegte sich langsam in der Strömung. Das Heck schrammte gegen den Anleger. Es knarrte so laut, dass einige der Kinder ängstlich zu weinen begannen.
Ein lauter Schrei war vom Ufer her zu hören. Erschrocken blickten die Frauen zur Siedlung hinüber, denn jetzt wussten sie, dass man sie gesehen hatte. Schon rannten mehrere Soldaten zum Fluss.
„An die Ruder!“, kommandierte Endredi, die nicht auf Ilsas Anweisungen warten wollte und es auch nicht mehr für notwendig hielt, sich still zu verhalten. Die Frauen hoben die für sie recht schweren Riemen an und schoben sie in die Lederschlaufen auf der Bordwand. Während Ilsa und Gunnhild das Steuerruder festhielten, lösten Endredi und Reinhild rasch die Heckleinen, die klatschend ins Wasser fielen.
„Zu … gleich!“, schrie Endredi, und die Frauen beugten sich alle zusammen nach vorn und zogen ihre Riemen durch das Wasser, während das Mädchen den Schlag ausrief.
Plötzlich schrie Ilsa auf, hielt sich den Arm und stürzte auf den Schiffsboden.
„Alle in Deckung!“, rief Meradyce und kroch zu Ilsa. Unterdessen spritzte es ringsum immer wieder auf, und daran war zu erkennen, dass schlecht gezielte Pfeile ins Wasser fielen.
Meradyce prüfte Ilsas Verletzung. Ein Pfeil hatte ihren Arm gestreift, doch die Wunde war nur geringfügig und musste nicht sofort behandelt werden. „Bleib liegen“, befahl Meradyce streng. Sie achtete nicht auf den Schmerz in ihrem Leib, sondern nahm stattdessen Ilsas Platz am Steuerruder neben Gunnhild ein.
Die Frauen ruderten mit aller ihnen zur Verfügung stehenden Kraft, und das Schiff glitt sehr schnell den Fluss hinab.
Am Ufer stand Adelar und sah dem entschwindenden Schiff nach. Über dem allgemeinen Geschrei hörte er seinen Vater abwechselnd Befehle und Flüche brüllen.
„Lebt wohl und gute Reise“, flüsterte der Junge.
Die Wikinger brachten ihr Schiff bis dicht an die Sachsensiedlung heran.
Einer nach dem anderen kletterten sie über die Bordwand und wateten zum Ufer. Einar führte seine Mannen an. Diesmal hoffte er, der sächsische Verräter habe Posten aufgestellt. Er wollte den Warnschrei hören, der die Dorfbewohner veranlassen würde, Zuflucht in ihrem Versteck zu suchen. Jetzt jedoch kannten die Wikinger die Höhlen, und die Sachsen würden dort keine Sicherheit mehr finden.
Als die Männer den Befestigungswall schon fast erreicht hatten, hörten sie tatsächlich einen entsetzten Schrei. Einar drehte sich mit einem derartig kalten Lächeln des Triumphs zu Hamar um, dass selbst diesem die Sachsen leidtaten. Und dann lief Einar los und führte die Männer zu dem Tor an der Rückseite des Ringwalls.
Es war einfach, sehr einfach, die sächsischen Siedler bei ihrem Fluchtversuch einzufangen. Meradyce und Endredi befanden sich nicht unter ihnen. Keine Wikingerfrauen und -kinder waren dabei.
Einar unterdrückte einen Wutanfall und hoffte nur, dass er diesmal nicht auch wieder zu spät kam. Er ließ einige Männer zur Bewachung der Frauen, Kinder und alten Menschen zurück und marschierte mit seinen übrigen Kriegern durch das Tor.
Kendric und dessen Mannen erwarteten die Eindringlinge beim Haupttor, doch dann hörten sie die Wikinger von hinten herankommen.
Mit der Streitaxt in der Linken und dem Schwert in der Rechten schritt Einar auf die Sachsen zu.
Der Than blickte seinem Feind entgegen. Obgleich der große blonde Krieger eigentlich ganz ruhig wirkte, brauchte Kendric sich nur seine Augen anzusehen und wusste sofort, dass nichts auf dieser Welt den Wikinger aufzuhalten vermochte. Für Kendric gab es jetzt nur zwei Möglichkeiten: Entweder er kämpfte und starb, oder er konnte versuchen, am Leben zu bleiben, indem er sich ergab.
Er warf sein Schwert zu Boden. „Wir ergeben uns!“
Einar blieb stehen. Sein Blut kochte über vor Wut. Er wollte diesen Mann töten, doch nicht auf diese Weise! Inzwischen hatten es sämtliche Sachsen ihrem Herrn gleichgetan. Einar blickte auf die Waffe, die vor ihm auf dem Boden lag. Lars’ Schwert!
Er trat auf Kendric zu. „Wo ist mein Eheweib? Wo meine Tochter?“ Er packte seine
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