Historical Platin Band 04
ihn an.
„Die Bengel haben ihn mit Steinen beworfen!“, nahm er sich in Schutz.
„Wen?“
„Den arabischen Windhund dort“, antwortete er und wies auf das Tier.
Sie blickte in die von ihm angegebene Richtung und sah einen räudigen, rostrot gestromten Hund, der neben einem Torgewölbe an einem Eisenring angebunden war. Das linke Ohr war zerfetzt; er stand nur auf drei Beinen und hatte den rechten Hinterlauf angezogen. „Gehört einem von euch das Tier?“, wandte sie sich an die Gören und bemerkte, dass etliche Neugierige bei ihnen stehen geblieben waren. Flüchtig schaute sie zu Mademoiselle de Brissac zurück, die sich abseits hielt und eine angewiderte Miene aufgesetzt hatte.
„Das ist ein streunender Köter“, antwortete Goisfrid verächtlich. „Er hat im Unrat herumgewühlt.“
Hunde waren nichtswürdige Kreaturen, allenfalls auf der Jagd von Nutzen, doch Mellisynt dachte daran, dass Gott der Herr auch sie erschaffen hatte. Dieser hier war nicht mehr imstande, sich nützlich zu machen, und würde von niemandem ernährt werden. „Er ist behindert“, stellte sie bedauernd fest.
„Ja, aber er kann sich gut aufrecht halten, Madame. Vielleicht gesundet er wieder. Das ist ein Sloughi, eine wundervolle Rasse, Madame, die jeder Chevalier so hoch achtet wie seine Rosse. Sloughis sind intelligent, Fremden gegenüber misstrauisch, hängen jedoch an ihrem Herrn. Und auf der Waid zeigen sie, wie gut sie stöbern und wie ausdauernd sie ein Wild verfolgen können.“
Nachdenklich betrachtete Mellisynt das Tier und wusste sogleich, dass sie besser nicht noch einmal zu ihm hingeblickt hätte. Er sah sie mit einem wehmütigen Ausdruck an, als bäte er sie, ihm ein besseres Los zu gewähren.
„Er ist krank und sicher voller Ungeziefer!“, mischte Isabeau sich angeekelt ein.
„Ihr sähet auch nicht so vornehm aus, Demoiselle, müsstet Ihr auf der Straße schlafen und Euch von Abfällen ernähren!“, hielt Colet ihr aufgebracht vor.
„Hütet Eure Zunge!“, tadelte sie ihn scharf. „Kommt, Madame d’Edgemoor“, fuhr sie drängend fort. „Ich friere und habe nasse Füße bekommen. Ich will unverzüglich ins Kastell zurück.“
Unschlüssig blickte Mellisynt zwischen der sie mürrisch anschauenden Demoiselle und dem sie bittend ansehenden Pagen hin und her und schließlich auf die mittlerweile zahlreichen Gaffer. Unvermittelt vernahm sie Hufschlag, und gleich darauf erschien ein berittener Fahnenträger mit dem herzoglichen Banner. Ihm folgten, an der Spitze einer Patrouille, der Gatte und Messire Beauchamps.
Richard hielt vor der Gemahlin an, musterte sie überrascht und erkundigte sich: „Was geht hier vor, Madame? Habt die Güte, mir zu erklären, warum ich Euch, verschmutzt und mit wirrem Haar, inmitten einer Schar Maulaffen feilhaltender Leute und zerlumpter Schelme antreffe!“
Geschwind zerstreuten sich die Zuschauer, und die Erleichterung, die Mellisynt angesichts des Gemahls empfunden hatte, verflog jäh.
Betreten klopfte Arcisse sich den Matsch vom Mantel.
Aus dem Bedürfnis, für Madame einzutreten, rückte Colet näher zu ihr.
„Die soeben verschwundenen Schöpse, Monsieur, haben den Hund dort gequält“, antwortete Mellisynt kleinlaut. „Ich beschloss, das Tier vor seinen Peinigern zu retten.“
Richard blickte zum Sloughi hinüber, zuckte mit den Schultern und äußerte gleichgültig: „Ihr habt erreicht, was Ihr wolltet, Madame. Und nun kommt, damit man Euch auf mein Ross helfen kann.“
Unschlüssig blieb sie stehen.
„Sputet Euch, Madame!“, fuhr er ungehalten fort. „Der Aufseher der Jagdhunde des Herzogs wäre nicht erbaut, brächte ich ihm das Windspiel mit.“
„Es müsste nicht bei der Meute Seiner Hoheit sein“, wandte Mellisynt ein. „Ich könnte es nach Trémont schaffen lassen, wo man es kurieren würde.“
„Mit Verlaub, Sieur“, warf Colet ein und verbeugte sich. „So Ihr es mir gestattet, würde ich es pflegen, bis es gesund ist.“
„Ihr werdet einstweilen nicht dazu imstande sein“, entgegnete Richard barsch. „Es ist nicht zu übersehen, wie sehr Ihr Eure Pflicht vernachlässigt habt. Ich werde mit Monsieur de Robertet sprechen und ihn veranlassen, Euch ob Eurer Vergesslichkeit zu züchtigen.“
Beschämt senkte Colet die Lider.
Tröstend legte Mellisynt ihm die Hand auf die Schulter.
Die Geste war Richard nicht entgangen, und der Verständnis heischende Ausdruck in den Augen der Gattin rührte ihn. Der Zorn auf sie schwand, und er sagte
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