Historical Platin Band 04
und wird es gewiss begrüßen, etwas Abwechselung zu haben. Zudem ist sie sehr edel gekleidet und wird dich bei deinen Einkäufen sicher gut beraten.“
Jäh schwand die Vorfreude, die Mellisynt bei der Aussicht empfunden hatte, von Bude zu Bude zu schlendern und die Auslagen der Krämer zu begutachten. Es behagte ihr ganz und gar nicht, Mademoiselle de Brissac um sich zu haben.
„Oh, wie furchtbar!“, jammerte Isabeau, nachdem sie und Madame d’Edgemoor die Sänfte verlassen und die ersten Schritte auf dem Kopfsteinpflaster gemacht hatten. „Der Weg ist so uneben. Ich habe Angst, ich könnte umknicken und mir den Fuß verstauchen! Und dann dieser Schmutz!“ Geziert hob sie die Röcke an und wich einer Pfütze aus.
Mellisynt schickte ein Stoßgebet zum Himmel und flehte den Allmächtigen an, ihr Geduld zu verleihen. „Wir sind im Winter, Demoiselle“, erwiderte sie, den Unmut nur mühsam bezähmend.
Isabeau schreckte zurück, als unversehens Schnee sich von einem vorragenden Erker löste, und raffte den pelzgefütterten Mantel vor der Brust zusammen.
Colet und Arcisse de Courtelier schauten sich grinsend an und lachten dann auf.
Wütend drehte Isabeau sich zu den Pagen um und herrschte sie an: „Ich bin Euer unmanierliches Verhalten leid! So Euch nicht bewusst ist, dass man einer Dame mit Respekt zu begegnen hat, werde ich Euch diese Erkenntnis einbleuen müssen!“
Rasch stellte Mellisynt sich zwischen die aufgebrachte Demoiselle und die beiden Jünglinge und sagte beschwichtigend: „Wenn Ihr Euch so grämt, Demoiselle, bekommt Ihr Kummerfalten!“ Sie musste sich zwingen, nicht zu lächeln, als Mademoiselle de Brissac hastig eine gelassenere Miene aufsetzte.
Zum Glück hatte sie rasch begriffen, wie sie die eingebildete Person behandeln musste. Im Verlauf des Nachmittags musste sie deren Eitelkeit wiederholt nachgeben und hinnehmen, dass Mademoiselle de Brissac viel Zeit darauf vergeudete, sich von den Händlern die schönsten und teuersten Tuche, mit Goldfäden durchzogenen Türkis, kostbaren Samt und dreifarbig schillernde Seiden, vorlegen zu lassen.
Immer wieder musste sie die beiden Knaben tadeln, wenn sie allzu kecke Äußerungen machten. Es war indes verständlich, dass sie es genossen, einige Stunden Monsieur de Lescroarts, des Jungmeisters, Zucht entronnen zu sein. Indes fand sie es verwunderlich, dass es ihr unter solchen Umständen gelungen war, die Dinge zu erstehen, die ihr gefallen hatten.
„Die Pagen betragen sich äußerst ungebührlich!“, erregte sich Isabeau.
„Noch sind sie keine gestandenen Männer“, entgegnete Mellisynt besänftigend. Ihrer Ansicht nach benahmen sie sich dem Alter entsprechend und waren ihr als Gesellschafter weitaus angenehmer denn die verzärtelte Demoiselle.
„Ich bin kein Kind mehr“, empörte sich Isabeau, „und will wie eine Dame behandelt werden. Ich hätte mich schon im letzten Sommer vermählt, wäre mein Verlobter vor Limoges nicht im Gefecht getötet worden. Meine gesamte Aussteuer war bereits fertig. Ich befand mich in einer äußerst unangenehmen Lage.“
„Zweifellos hätte der Euch Versprochene Eure Ansicht geteilt“, sagte Mellisynt boshaft.
Isabeau furchte die Stirn, zuckte mit den Achseln und fuhr gleichmütig fort: „Ich habe ihn nur einmal gesehen, anlässlich unseres Verspruchs. Nun wird Ihre Gnaden, die Herzogin, mir einen anderen Gemahl bestimmen, der an Stelle meines Vaters Brissac als Lehen erhält. Ich hoffe, dass ich ihre Wahl billigen werde.“
Im gleichen Moment erscholl hinter Mellisynt und der Demoiselle lautes Getöse. Erstaunt drehte Mellisynt sich um, sah die Pagen die Einkäufe fallen lassen und sich auf eine Horde von Kindern stürzen. Im Nu kam es zu einem wilden Handgemenge.
Hastig drückte sie die von ihr erstandenen Sachen Mademoiselle de Brissac in die Hände, raffte die Röcke und lief zu den aufeinander eindreschenden, laut schreienden Rangen. Sie bekam einen Fratz am Umhang zu fassen und zerrte ihn heftig zurück. Er torkelte, fiel gegen sie und warf sie um.
Entsetzt fand sie sich im Schneematsch wieder, raffte sich flink auf und bemühte sich ein weiteres Mal, die sich prügelnden Knaben zu trennen. Die Kapuze fiel ihr vom Kopf; das Netz löste sich vom Haar, und unvermittelt fielen ihr die Locken um das Gesicht.
Nach einigem Hin und Her schaffte sie es, Colet am Arm zu ergreifen und zurückzureißen. Sogleich wichen die anderen Kinder vor ihr zurück. „Was fällt Euch ein?“, herrschte sie
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