Historical Platin Band 04
sich, er habe sich vorgenommen, großmütiger zu ihr zu sein. Es war nicht zu verkennen, dass sie sich ohnehin nicht von ihm eingeschüchtert fühlte.
Unwillkürlich beeindruckte sie ihn durch ihr Eintreten für eine armselige Kreatur und den ihm bekundeten Widerstand. Er fand es bewundernswert, dass sie sich, wiewohl sie von Monsieur Frodewin so unterdrückt worden war, die Courage bewahrt hatte. Sie war offensichtlich von stärkerem Willen, als er bisher angenommen hatte.
Ihn überraschte ihre innere Einstellung, die sie dazu bewogen hatte, ihn zu erhören, nur um von ihm gesegneten Leibes zu werden, sich hilfreich auf die Seite des ungebärdigen Pagen zu stellen und für einen elenden Hund einzutreten.
Erzürnt näherte Isabeau sich ihm und sagte empört: „Habt die Freundlichkeit, Sieur, mich heimzubringen. Ich musste bereits eine geraume Weile in der Kälte ausharren und bin halb erfroren.“
„So Ihr erlaubt, Monsieur, nehme ich die Demoiselle zu mir aufs Ross“, erbot sich Roger rasch. Er wartete nicht auf das Einverständnis des Sire, lenkte den Passgänger zu ihr und forderte mit knapper Geste seinen Knappen auf, der Demoiselle beim Aufsitzen behilflich zu sein.
René du Thier schwang sich aus dem Sattel, stellte sich neben den Rotfuchs und verschränkte die Hände.
Sie stellte den rechten Fuß auf sie, presste die Einkäufe an sich und stieß sich vom Pflaster ab.
Hurtig fasste Roger sie unter der Achsel und zog sie hinter sich auf das Ross.
„Ihr seid so heftig!“, jammerte sie und setzte sich aufrecht hin.
Es war erregend gewesen, ihren Körper zu streifen, flüchtig ihre Brüste zu spüren. Roger genoss es, sie dicht bei sich zu haben, und erwiderte schmunzelnd: „So Ihr mich näher kennen würdet, Demoiselle, wüsstet Ihr, dass ich sehr viel stürmischer sein kann. Bei Euch, schönes Kind, fühle ich mich geradezu herausgefordert, mich nicht zu bändigen.“
„Wie könnt Ihr Euch erkühnen, so mit mir zu sprechen!“, ereiferte sie sich. „Im Übrigen bin ich kein Kind mehr!“
Beim Betreten des Rittersaals bemühte Mellisynt sich, den Gatten unter den Anwesenden zu entdecken. Plötzlich hörte sie ein Weib hell auflachen und sah Mademoiselle de Brissac sich inmitten einer Schar von Kavalieren amüsieren. Der Edle von Ventadon, wie stets kostbar gewandet, schaute sie hingebungsvoll an.
„Nein, Sieur“, säuselte Isabeau, „noch bin ich nicht bereit, mich umwerben zu lassen. Ich weile erst kurze Zeit bei Hofe und finde es unangebracht, Mittelpunkt schwärmerischer Verse zu sein.“ Wohlbedacht nahm sie durch ein liebliches Lächeln ihrem Verweis die Schärfe.
„Ihr seid herzlos, Demoiselle“, erwiderte Bernart seufzend, ergriff ihre Hand und hob sie zum Kuss an die Lippen.
„Nein, die Demoiselle ist nur ein verzogenes, eigensinniges Geschöpf!“, sagte Roger halb laut zu Madame d’Edgemoor.
Sie zuckte zusammen und hoffte für ihn, Mademoiselle de Brissac möge ihn nicht vernommen haben.
Bernart hatte die spöttische Bemerkung gehört und sah wütend den Seigneur de Beauchamps an.
Auch Isabeau hatte sie vernommen. Zutiefst gekränkt, wandte sie sich an Messire de Ventanon und äußerte mit erhobener Stimme: „Ich könnte mich vielleicht doch dazu durchringen, Sieur, mir von einem Chevalier den Hof machen zu lassen, vorausgesetzt, er achtet darauf, dass niemand abfällig über mich herzieht.“
„Niemand soll Euch ungestraft beleidigen können“, erwiderte Bernart fest und stellte sich schützend vor sie.
Seine Miene und sein Blick drückten solch wütende Entschlossenheit aus, dass Mellisynt sich unwillkürlich Monsieur de Beauchamps’ Warnung vor dem Troubadour entsann. Besorgt schaute sie den Baron an und bemerkte überrascht, dass ein boshaftes Funkeln in seinen braunen Augen stand. Offensichtlich behagte ihm die Situation. Anscheinend rechnete er nicht damit, dass der Edle von Ventadon ihn tätlich angreifen könne.
In bedrohlicher Haltung näherte sich Bernart dem Seigneur de Beauchamps.
Mellisynt wandte sich halb ab und gab sich den Anschein, ihm aus dem Weg gehen zu wollen, streckte jedoch flink den rechten Fuß vor, sodass der Chevalier ins Stolpern geriet.
Er torkelte, verlor das Gleichgewicht und stürzte der Länge nach zu Boden.
Nach der ersten Überraschung begannen die Umstehenden zu raunen oder sogar laut zu lachen.
Bernart stützte sich auf das rechte Knie und bedachte Madame d’Edgemoor mit einem wuterfüllten Blick.
Ihr war klar, dass sie ihn
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