Historical Platin Band 04
Gemahl bewusst, und die schreckliche Erkenntnis, dass er ihr nicht treu zu sein vermochte, erschütterte sie. Beklommen überlegte sie, wie sie so töricht hatte sein können, ihn ins Herz zu schließen. Die Antwort mochte sein, dass sie seiner männlichen Ausstrahlung erlegen war, mitgerissen von seiner überwältigenden Fähigkeit, ihr Wonnen zu verschaffen, ihre Minneglut in einem Maße anzufachen, das sie dazu brachte, sich zu vergessen.
Jedes Mal, wenn sie ihm beigelegen hatte, war sie überzeugt gewesen, auch er genieße das Zusammensein. Aber möglicherweise hatte sie sich getäuscht, und er besaß sie aus dem gleichen Drang, wie er sich mit jedem anderen Weib abgab. Vermutlich machte er keinen Unterschied zwischen ihr und den übrigen Frauen, die er in sein Bett nahm. Sonst hätte er sich gewiss nicht mit Mademoiselle de Brissac eingelassen.
Sie war dumm gewesen zu denken, er liebe sie. Die Troubadoure hatten recht: Die reine, allumfassende Minne gab es nicht, wenn man vermählt war. Wollte man sie erfahren, musste man wohl tatsächlich die Gunst einem Kavalier schenken, der seinen Gefühlen in wohlgesetzten Huldigungen Ausdruck verlieh. Dann indes musste man auf zärtliche Umarmungen, heiße Küsse und leidenschaftliche Vereinigungen verzichten, wollte man nicht, dass der Verehrer einem das Herz brach. Seufzend gestand Mellisynt sich ein, dass es die wahre Liebe nur in den schönen Versen der Minnesänger gab, aber nicht im wirklichen Leben.
Ein Ruf schreckte sie auf, und erstaunt drehte sie sich zu dem Massot genannten Rossknecht um. Im selben Augenblick bemerkte sie den Reiter, der den zum Strand führenden Pfad herunterkam. Sobald er deutlicher wahrzunehmen war, erkannte sie den Gatten, sprang auf und überlegte, während sie ihm langsam entgegenging, wie sie sich betragen solle. Der Stolz verbot ihr, den Kummer einzugestehen, den der Gemahl ihr verursacht hatte.
Bei ihr angelangt, hielt er den Rotfuchs an, sah sie an und sagte unwirsch: „Was ist Euch in den Sinn gekommen, Madame, Euch bei diesem schlechten Wetter hier aufzuhalten?“
„Ich … ich hatte das Bedürfnis … allein zu sein“, antwortete sie beklommen.
„Ihr habt mich zum Narren gemacht, Madame, weil ich mich erst erkundigen musste, wo Ihr Euch befindet. Ihr hättet mich um Erlaubnis bitten sollen, ausreiten zu dürfen. Ihr werdet mir erklären müssen, weshalb Ihr es vorgezogen habt, Euch ohne meine Einwilligung aus der Burg zu entfernen.“
Sie wurde ärgerlich, nicht nur, weil er diesen überheblichen Ton angeschlagen hatte. „Mit welchem Recht redet Ihr so mit mir?“, ereiferte sie sich.
Die mühsam gewahrte Haltung schwand. „Habt Ihr vergessen, Madame, dass ich Euer Ehegemahl bin?“, fragte er zornig.
„Nein“, antwortete sie nicht minder aufgebracht. „Indes begreife ich nicht, was Ihr dagegen einzuwenden habt, wenn ich einige Zeit in Abgeschiedenheit verbringen möchte.“
Entgeistert schaute Richard die Gemahlin an. Sie hatte tatsächlich die Keckheit, aufsässig zu sein und sich darüber zu entrüsten, dass er sich Sorgen um sie gemacht hatte. Sie hätte wissen müssen, dass sie sich in Gefahr begab, auch wenn sie von einem Rossknecht begleitet worden war. Gegen eine Bande Wegelagerer hätte der nur mit seinem Stichmesser bewaffnete Bursche nichts auszurichten vermocht. Abgesehen davon, dass ihr Gefahr für Leib und Leben gedroht hätte, wäre sie möglicherweise geraubt und nur nach Zahlung einer hohen Ablöse wieder freigelassen worden.
„Ich meinte den Ohren nicht trauen zu können, Madame, als Eure Kammermagd mir mitteilte, dass Ihr in die Bucht geritten seid“, erwiderte Richard kopfschüttelnd. „Ein Pferdeknecht allein hätte Euch nicht vor Raubgesindel beschützen können. Wo habt Ihr Euren Verstand gelassen?“
„Niemand hat mich belästigt, Sire, bis Ihr hier erschienen seid!“, brauste Mellisynt auf.
„Belästigt, sagt Ihr? Nun, wenn Ihr dieser Ansicht seid, Madame, werde ich Euch, sobald wir in unserer Kammer sind, nachhaltig beweisen, dass ich noch sehr viel drastischer mit Euch umspringen kann!“
„Ihr werdet mir nicht zu nahe treten!“, warnte sie ihn. „Ich weigere mich hinfort, im selben Bett zu nächtigen wie Ihr!“
„Mir scheint, Ihr seid vollkommen von Sinnen, Madame“, erwiderte er und sah sie fassungslos an. „Weshalb wollt Ihr Euch mir entziehen?“
„Ich bin nicht willens, das Lager mit Euch zu teilen, auf dem Ihr Euch mit Dame Isabeau vergnügt habt.“
Die
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