Historical Platin Band 04
die Schultern.
Zur fünften Stunde fand der Gemahl sich in der Kammer ein. Mellisynt begrüßte ihn höflich und äußerte bedrückt: „Ich bitte um Pardon, Monsieur, dass ich Euch in Unkenntnis des wahren Sachverhaltes des Ehebruchs bezichtigt habe. Gewiss, das ändert nichts daran, dass ich kein Vertrauen zu Euch hatte, aber ich möchte Euch sagen, wie leid es mir tut.“
Richard würdigte sie keines Blicks, ging zum Kasten und legte den Surkot ab.
Bang schaute Mellisynt ihn an, rang die Hände und fuhr in inständigem Ton fort: „Seid nachsichtig, Sire! Ich habe gefehlt und bin mir dessen gewahr. Aber bis ich aus Dame Isabeaus Mund den wahren Sachverhalt erfuhr, habe ich den Umständen entsprechend angenommen, Ihr hättet mich verraten und betrogen. Ich kann nur noch einmal betonen, dass es mir Herzweh verursacht, so kleingeistig gewesen zu sein.“
Richard streifte die Cotte ab, machte die Truhe auf und entnahm ihr erst einen weißen Surkot, dann eine schwarze, silberbestickte Tunika.
Betrübt beobachtete Mellisynt ihn, näherte sich ihm schließlich und legte ihm flehend die Hand auf den Arm.
Brüsk schüttelte er sie ab und fuhr fort, sich umzukleiden. Ohne die Gemahlin zu beachten, schritt er zur Tür und verließ das Gemach.
Verstört harrte sie einen Moment lang aus, beschämt und elend, folgte ihm dann hastig und ging niedergeschlagen hinter ihm zur Abendspeise in den Rittersaal.
Die Tage nach der Auseinandersetzung um Mademoiselle de Brissac verliefen in gespannter Stimmung. Der Gatte war zwar höflich, verhielt sich jedoch kühl und abweisend. Er wahrte die Form, beteiligte Mellisynt an den Gesprächen mit dem Kämmerer, griff nicht in ihre Freiheiten als Burgherrin ein und lud sie sogar ein, mit ihm die Niederburg und, wenn er über Land ritt, die umliegenden Weiler zu besuchen. Nie mehr schenkte er ihr jedoch ein Lächeln; sein Blick war bar aller Wärme, und der Ton, den er anschlug, entbehrte jeder Herzlichkeit.
Die Nächte wurden Mellisynt zur Qual. Schlaflos lag sie neben ihm, erregt durch seine Nähe, lauschte seinen regelmäßigen Atemzügen und haderte mit sich ob ihrer Engstirnigkeit, des allzu raschen, aus Eifersucht geborenen Misstrauens, das sie gegen ihn gehegt hatte. Mehr und mehr entschloss sie sich, endlich die Kluft, die sich zwischen ihnen aufgetan hatte, zu überbrücken, auch wenn es ihr schwerfiel, den Stolz hintanzustellen.
Angestrengt bemühte sie sich, das Gefallen des Gatten zu finden, schmückte sich mit feinen Gewändern und kostbarer Zier. Doch auch das bewog ihn nicht, ihr wieder mehr als nur höfliche Aufmerksamkeit zu schenken.
Schließlich konnte sie die sie stark belastende Situation nicht mehr ertragen und entschied sich, den letzten Schritt zu tun, um sich mit dem Gemahl zu versöhnen. Nachdem man sich zu Bett begeben hatte, wandte sie sich ihm zu und begann zögerlich, ihn sacht zu streicheln. Eine Weile blieb er abweisend, doch dann drehte er sich zu ihrer Erleichterung um, küsste sie begehrlich und besaß sie. Er verschaffte ihr Wonnen, indes nicht die Erfüllung, die sie sich ersehnt hatte, und es kam ihr vor, als sei er innerlich nicht beteiligt gewesen.
In den folgenden Nächten bestätigte sich das Gefühl, dass er ihr nur beiwohnte, um seine Leidenschaft zu befriedigen. Mehr und mehr verabscheute sie sich, weil sie die sie erfassende Minneglut nicht unterdrücken konnte, und weitaus stärker denn zuvor machte sie sich Vorwürfe, da sie diejenige gewesen war, die diese unerfreuliche Situation herbeigeführt hatte.
Es störte sie empfindlich, dass die zwischen ihr und dem Gemahl bestehenden Spannungen den Bewohnern der Burg nicht verborgen geblieben waren. Dame Sethrid versuchte ständig, sie auszuhorchen, und mit der Zeit wusste sie nicht mehr, welche Ausflüchte sie noch erfinden solle. Vor allem das Mademoiselle de Brissac hassende Weib des Hauptmanns bemühte sich um Mellisynt und wurde in ihrer Fürsorge sehr lästig. Eines Tages wurde Mellisynt die Anteilnahme der Frauen zu viel, und unversehens brach sie in Gegenwart der Muhme ihres Gemahls in Tränen aus.
Der schon einen Tag nach der Erkrankung genesene Knappe trachtete ebenso wie Colet danach, Mellisynt jeden Wunsch von den Lippen abzulesen. Und selbst der Sloughi, der eigentlich auf der Koppel hätte sein sollen, vom Pagen jedoch immer wieder in den Palas gebracht wurde, schien Mellisynts Kummer zu spüren. Er mochte nicht von ihrer Seite weichen, winselte kläglich, wenn sie ihn
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