Historical Platin Band 04
Blut eines jeden Mannes in Wallung. Darin unterschied Micheil sich nicht von seinen Geschlechtsgenossen. Konnte er die Lust nicht mit dem Weib befriedigen, das ihm versagt war, würde er sein hitziges Blut im Gefecht kühlen.
Die Aussicht jedoch, das, was Seana lieb und teuer war, möglicherweise zerstören zu müssen, erfüllte ihn mit Abscheu. Er konnte nicht zu ihr gehen, wenn er sich die Hände mit dem Blut ihres Bruders besudelt hatte. Andererseits hätte er die seelische Last nicht ertragen können, ein weiteres Mal zugelassen zu haben, dass der Schwager unbehelligt blieb, nachdem wieder ein Mitglied seiner Familie durch Liam zu Schaden gekommen war.
Es zeugte von Niedertracht, David hilflos in der Wildnis liegen zu lassen, ohne Waffe, Ross und Wegzehrung. Insofern war es nicht von Bedeutung, dass Liam und sein Gesindel ihn nicht verwundet oder gar erschlagen hatten. Der Schwager hatte zum letzten Male einen MacGlendon angegriffen.
Sassen brachten die Kunde, ein Trupp Kriegsvolk nähere sich der Veste. Liam wusste, dass die Gerüsteten seinetwegen kamen. Unwillkürlich fragte er sich, wie die Schwester sich verhalten würde, sähe sie sich vor die Wahl gestellt.
Beim ersten Geschrei war sie aufgestanden und zum Fenster des Turms geeilt. Auf dem Hof hatte sie aufgeregte Bauern gesehen, die laut riefen, die MacGlendons seien im Anzug. Die Sippe ihres Schwagers würde geringe Beute machen, so sie in dieser Absicht gekommen war. Die Schmuckstücke der Mutter waren veräußert und mit dem Erlös die Instandsetzung der Burg bezahlt worden, desgleichen der Kauf von Nutzvieh. Aufgrund des lang anhaltenden Winters waren Kühe und Schafe jedoch nicht sehr gut genährt.
Wie gebannt verweilte Seana am Fenster und starrte auf den zur Burg führenden Weg, begierig, einen ersten Blick auf Micheil zu erhaschen. Erst nach geraumer Zeit erkannte sie den sich rasch nähernden Tross und schließlich den auf seinem Grauschimmel sitzenden Vater ihres Kindes. Sogleich schlug das Herz ihr schneller, und bewegt legte sie die Hand auf die Brust. Micheil zuliebe hatte sie jeden betrogen, doch ihm war es gleich gewesen.
Hastig schob sie dann den Laden zu, als könne sie auf diese Weise Micheil von sich fernhalten. Er konnte nicht wissen, dass er zu spät kam. Es war nichts mehr da, was er sich hätte aneignen können. Wäre sie dazu imstande gewesen, hätte sie, da er ihr so viel genommen hatte, das Frauenschwert gegen ihn erhoben. Sie verweilte im Fenster und hörte ihn nach einer Weile laut nach ihrem Bruder rufen.
„Komm heraus, feiger Hundsfott! Du hast Weiber und erschöpfte Männer misshandelt, doch nun ist es an der Zeit, vor deinen Schöpfer zu treten. Ich werde den meinem Vater gegebenen Eid einlösen, von deiner Veste keinen Stein auf dem anderen lassen und die Erde mit deinem Blut tränken.“
Entsetzt und begierig zu sehen, was geschah, stieß Seana den Fensterladen in die Wand und sah Micheil vor dem Torhaus stehen. Seine Begleiter, darunter seine Brüder, hatten ein Stück hinter ihm angehalten. Einen Moment später hörte sie das Knirschen des nach oben gezogen werdenden Fallgitters und erblickte den mit gezogenem Schwert über den Hof schreitenden Bruder. Er war nicht geharnischt und hatte sich einem voll Gerüsteten zu stellen.
„Glaubst du, mich beschämen zu können, Liam?“, fragte Micheil verächtlich. „Ich werde mich mit dir schlagen, auch wenn du nicht im Panzer bist.“
„Du bist wie immer sehr leicht erregbar“, erwiderte Liam gelassen und legte die Waffe vor sich auf die Erde. „Du hast viele Männer bei dir, die auf dich achtgeben können, wenn du dich deines Kampfwerkes entledigst. Ich bin nicht der Feigling, für den du mich hältst. Ich warte.“
Hilflos ballte Seana die Hände und harrte wie gelähmt beim Fenster aus. Die Augen wurden ihr feucht, doch sie zwang sich, nicht zu weinen. Zwei von Micheils Begleitern saßen ab und halfen ihm, die Harnische abzulegen. Schließlich trug er nur noch den ledernen Waffenrock und lederne Beinlinge. In der Rechten hielt er das Schwert, in der Linken den langen Dolch. „Auf Tod oder Leben!“, sagte er hart.
„Auf Tod oder Leben!“, wiederholte Liam und hob die Waffe auf. Er dachte an die Schwester und den Verlust, den sie erlitten hatte. Da der Schwager nicht Großmut walten lassen würde, versagte er es sich, ihn um Gnade für Seana zu bitten.
Erschrocken presste sie die Hand auf den Mund, als der Zweikampf begann. Die Gegner waren sich
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