Historical Saison Band 12
seine Unschuld.“
„Es tut mir leid das sagen zu müssen, aber ja, du hast recht. Allerdings …“ Rastlos lief er im Zimmer auf und ab. „Dein blindes Vertrauen in Johnny ist sehr überzeugend. Und du hast recht, sein Handeln an diesem Abend entsprach überhaupt nicht seinem Charakter. Wenn er nicht schon seit einer Weile zu viel getrunken hätte, dann hätte ich es mir überhaupt nicht erklären können.“ Er blieb vor ihr stehen. „Ich glaube immer noch nicht daran, dass er unschuldig ist, Alexandra. Aber ich kann das, was du gesagt hast, auch nicht völlig von der Hand weisen.“
Lexi war gerührt, obwohl sie sich nichts anmerken lassen wollte. Es war zwar nur ein kleines Zugeständnis, dennoch bewies es, dass sie zumindest ein wenig Einfluss auf ihn ausübte. Hoffnung keimte in ihr auf.
„Außerdem gibt es da noch eine Unklarheit. Möglicherweise wird sie nichts beweisen, aber vorhanden ist sie trotz alledem“, fügte er hinzu.
„Und worin besteht diese Unklarheit?“, fragte sie eifrig.
„Die Börse, die der Franzose Johnny gegeben hat. Wie du weißt, habe ich gesehen, wie sie ausgehändigt wurde. Aber ich konnte sie in Johnnys Zimmer nicht finden, ebenso wenig wie das Geld. Was könnte er damit getan haben?“
„Johnny könnte gar nichts damit getan haben“, sagte Lexi ungehalten. „Er war ja gar nicht in dieser Taverne.“
„Das genügt mir nicht als Erklärung. Wenn er es nicht war, wieso hingen dann sein Hut und sein Mantel wieder in seinem Zimmer, kaum eine Stunde nachdem jemand, der Johnny sehr ähnlich sah, sie in der Taverne getragen hat?“
Seufzend rieb sich Lexi die Stirn. „Das kann ich auch nicht erklären. Ich glaube, ich kann heute gar nicht mehr gescheit denken. Ich bin müde und möchte ins Bett. Aber ich bin froh, dass du mit mir nach London kommst, aus welchen Gründen auch immer. Die Antwort ist bestimmt dort zu finden …“ Sie hielt alarmiert inne. „Was tust du denn da?“
„Sieht man das nicht? Ich ziehe mich aus.“
„Aber warum tust du das nicht in deinem Zimmer?“
„Das ist mein Zimmer, Alexandra. Im White Hart gibt es nicht unbegrenzt Räume, und das Bett scheint mir groß genug für zwei. Zudem haben wir uns erst kürzlich eines geteilt, ohne dass du Einwände erhoben hättest.“
„Das war … etwas anderes.“
„Das wohl, dennoch sind wir immer noch verheiratet. Ich versichere dir allerdings, dass du dir keine Sorgen machen musst. Du bist vor meinen Avancen sicher. Nach den Anstrengungen des heutigen Tages hege ich nicht das Verlangen, dass du ‚deine Pflicht tust‘, und ich verspüre weder die Kraft noch den Wunsch, ‚vorzugeben‘, dass ich dich liebe.“
Ohne ein weiteres Wort stieg Lexi ins Bett und rutschte bis ganz an die Kante. Richard ging derweil ins Ankleidezimmer. Sie hörte Wasser plätschern, wenige Minuten später kam er zurück, blies die Kerze aus und legte sich neben sie. Kurz darauf hörte sie seine gleichmäßigen Atemzüge. Im flackernden Feuerschein sah sie, dass eine breite Lücke zwischen ihnen klaffte. Lexi schluckte die Tränen hinunter und schloss die Augen.
Mitten in der Nacht wachte sie auf und stellte fest, dass sie in Richards Armen lag. Schläfrig streichelte sie über sein Gesicht. Er schob sich über sie und bedeckte ihre Lippen mit leidenschaftlichen Küssen, die sie mit gleicher Glut erwiderte. Eng umschlungen wurden sie bald darauf eins. Doch sie tauschten keine Worte der Liebe, keine sinnlichen Liebkosungen, keine Zärtlichkeiten danach, so wie in den Nächten zuvor. Als es vorbei war, rutschte er wieder auf die andere Seite des Bettes zurück, und die Kluft zwischen ihnen wurde ihr bewusster denn je. Es dauerte lange, bis sie wieder in den Schlaf fand.
Als Lexi am nächsten Morgen aufwachte, saß Richard bereits vor dem Kamin am gedeckten Frühstückstisch und las Zeitung. Ohne ein Wort stand sie auf und ging ins Ankleidezimmer hinüber. Nachdem sie sich das Gesicht gewaschen hatte, schlüpfte sie in ihre Kleider, die auf einem Stuhl bereitlagen.
„Wir behalten das Zimmer, bis die Kutsche da ist. Du kannst dich hier umziehen“, sagte Richard, als sie sich schließlich zu ihm an den Tisch setzte. Er faltete die Zeitung zusammen.
„Du kannst ruhig weiterlesen“, meinte sie. „Immerhin sind wir inzwischen ein altes Ehepaar.“ Ihre Stimme klang schärfer als beabsichtigt. Richard zog eine Grimasse und griff wieder zur Zeitung. Nach einigen Sekunden meinte Lexi steif: „Es tut mir leid. Bitte
Weitere Kostenlose Bücher