Historical Saison Band 12
nächsten Halt stieg der Sekretär aus, und sein Platz wurde von einem wohlbeleibten Bauern eingenommen, der erzählte, er sei auf dem Weg nach Salisbury, um seinen Sohn zu besuchen. Statt spitzer Ellbogen drückten nun fleischige Hüften in ihre Seite, während sich der Bauer mit dröhnender Stimme über ihren Kopf hinweg mit der molligen Dame unterhielt.
Als die Kutsche endlich Salisbury erreichte, hatte Lexi unerträgliche Kopfschmerzen, und ihre Beine waren so steif, dass sie kaum laufen konnte. Außerdem verspürte sie den dringenden Wunsch, ein Bad zu nehmen. Erschöpft kletterte sie aus dem Wagen und ging nach hinten, um ihre Tasche zu holen.
„Ich erledige das für dich“, hörte sie plötzlich eine wohlvertraute Stimme.
Sich dem Unausweichlichen tapfer stellend, drehte sie sich zu Richard um, der sie mit sarkastischem Lächeln bedachte.
„Wie um Himmels willen bist du hierhergekommen?“
„Komfortabler als du, offenbar, so, wie du ausschaust.“ Er nahm ihre Tasche und gab sie einem Lakaien. „Ich habe mir die Freiheit genommen, uns beiden ein Zimmer im White Hart zu mieten.“
Er bot ihr seinen Arm, und Lexi ließ sich ohne Widerspruch von ihm zum Gasthof und zu ihren Räumen im ersten Stock geleiten. Dort ging sie sogleich zum Spiegel und gewahrte mit leichtem Erschrecken ihr derangiertes Aussehen.
„Das Kleid wirst du wohl wegwerfen können“, sagte Richard. „Leider habe ich keine Kleidung zum Wechseln für dich dabei, da ich recht überstürzt aufbrechen musste. Aber Cissie kommt morgen mit der Kutsche nach und bringt frische Kleider für dich mit.“
Lexi musterte ihn mit steinerner Miene. „Du lässt die Kutsche nachkommen? Wozu? Ich habe dir doch geschrieben, dass ich nicht mit dir zurückkehren werde. Ich werde nach London reisen.“
Nach dem anstrengenden Ritt nach Salisbury war seine Geduld erschöpft. Gereizt erwiderte Richard: „Wenn mir der Sinn danach stünde, würde ich dich auf der Stelle nach Channings zurückbringen, ob du das willst oder nicht. Wenn du dich wie ein trotzköpfiges Kind aufführst, werde ich dich dementsprechend behandeln.“
„Ist es etwa kindisch, dass ich den Ruf meines Bruders reinwaschen möchte?“, entgegnete Lexi ebenso wütend.
„Ich habe verdammt große Anstrengungen unternommen, um den Ruf deines Bruders zu schützen. In den Augen der Öffentlichkeit ist er unbefleckt. Aber das wird nicht so bleiben, wenn du anfängst, unbedachte Fragen zu stellen. Damit wirst du bloß Zweifel an seiner Rechtschaffenheit wecken.“ Seine Miene verdüsterte sich. „Lieber Himmel, Alexandra, wirst du denn nie lernen, erst nachzudenken, bevor du handelst?“
„Was soll das denn heißen?“
„Ich habe geglaubt, du hättest deine Lektion gelernt! Wie du dich vielleicht erinnerst, hast du schon einmal einen Irrtum begangen, der mich beinahe das Leben gekostet hätte.“
Betroffen blickte sie ihn an. So viel war inzwischen geschehen, dass sie den Vorfall in der Kirche schon beinahe vergessen hatte. Verlegen senkte sie den Blick. „Damals war ich außer mir vor Kummer.“
„Ich wäre dennoch tot gewesen, wenn ich dich nicht im letzten Augenblick überredet hätte, mir eine Gnadenfrist zu gewähren“, sagte er unversöhnlich.
„Hättest du mich ins Vertrauen gezogen, statt mich wie ein Kind zu behandeln, wäre es nie so weit gekommen“, erwiderte sie herausfordernd.
„Und hättest du mehr Vertrauen in mich gehabt, wäre es auch nie so weit gekommen. Aber nein. Du hast ja lieber deinem verfluchten Vetter vertraut, den du kaum kennst, nebenbei bemerkt. Und gestern hast du dich schon wieder von ihm verunsichern lassen.“
„Sei nicht ungerecht, Deverell. Mark kann nichts dafür. Du hast mit meinem Vater um Rawdon gespielt, und du hast anschließend mit ihm gestritten. Mark hätte mir gegenüber nichts davon erwähnt, wenn ich ihn nicht darauf angesprochen und ihm gesagt hätte, dass ich das Gespräch der Dienstboten zufällig mit angehört habe. Außerdem ist das nicht der Grund, weswegen ich dich mit der Waffe bedroht habe, wie du sehr wohl weißt. Mark war ja nicht einmal zugegen, als ich diesen belastenden Beweis fand und annehmen musste, dass du Johnny getötet hast.“
„Du hast es angenommen! Ganz richtig. Und schon wieder ziehst du voreilige Schlüsse und bist bereit, das Schlimmste von mir zu denken.“ Mit mühsam beherrschter Stimme fuhr er fort: „So geht es nicht weiter, Alexandra. Ich bin nicht bereit, eine solche Ehe zu führen. Wenn
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