Historical Saison Band 12
Liebe, Sie haben ein ganz beträchtliches Vermögen geerbt. Ihr Vater hat es mir mitgeteilt, als ich ihn nach dem Tod Ihrer lieben Mutter bei La Coruña nach Ihren Verhältnissen fragte. Damals habe ich ihn dazu gedrängt, Sie nach England zu schicken … aber das ist jetzt ja wohl unwichtig.“
„Ich hatte ja keine Ahnung“, sagte Jenna leise, immer noch wie vom Donner gerührt.
Mrs Anderson nickte. „Da bin ich mir sicher! Das hätte doch keiner geahnt, so spartanisch, wie Sie hier leben. Ihr Papa kam aus Indien mit einem ganz ordentlichen Vermögen zurück, das Ihnen, als seinem einzigen Kind und Erben, jetzt zusteht. Oh, wie entzückt Sie von London sein werden, wo all diese feinen jungen Gentlemen um Ihre Gunst konkurrieren werden. Also bitte keine Rede mehr davon, sich an einen Offizier der Armee wegzuwerfen.“
Mrs Anderson zeigte auf den hinteren Raum. „Am besten fangen Sie gleich an und packen schon einmal die Sachen Ihres Papas. Vielleicht könnte der Major das verkaufen, was Sie nicht als Andenken behalten möchten.“ Sie errötete unter Jennas betroffenem Blick, aber sie fuhr fort: „Man mag mich unsensibel nennen, weil ich Sie so schnell zu dieser Arbeit dränge, doch Sie sind lange genug bei der Armee, um zu verstehen, dass das Leben weitergeht. Und wir müssen alle weiterleben.“
Ja, das Leben geht weiter, dachte Jenna verbittert. Ihr Kummer über den Verlust ihres Vaters war nach dieser aufdringlichen Ermahnung so qualvoll, dass sie nicht mehr sprechen konnte.
„Auf, auf, meine Liebe. Sie werden merken, dass es einfacher wird, wenn man eine Aufgabe hat. Ich würde gern aufbrechen, solange die Soldaten sich noch in der Stadt amüsieren, und weg sein, bevor womöglich das Kommando zu einem weiteren Fußmarsch ergeht und man uns keine Eskorte mehr zuteilen kann.“
Harrys Gesicht zeigte den Ausdruck mühsam unterdrückter Empörung. Jenna merkte deutlich, dass nur der Respekt für den Rang Colonel Andersons ihn davon abhielt, den Anweisungen der Frau seines neuen Vorgesetzten zu widersprechen. Allerdings war es so, dass Jenna gar nicht die Absicht hatte, ihre Abreise – oder ihre Heirat – weiter vor der Frau des Colonels zu diskutieren.
Erst einmal wollte sie sich über ihre eigenen Gefühle nach den unerwarteten Heiratsanträgen der Offiziere klar werden.
Sie kannte den Major gut genug, um darauf zu vertrauen, dass Garrett Fairchild seinen eigenen Antrag ernst gemeint hatte. Und wenn es so war, wusste sie nicht, ob sie der Versuchung widerstehen konnte, ihn anzunehmen.
Doch wenn sie den Mann heiratete, den sie von ganzem Herzen liebte, für den sie ja nur wie eine Schwester war, würde sie damit alle beide zu einem unzufriedenen Leben verurteilen?
Oder doch nicht?
5. KAPITEL
G arrett blickte von der ruhig strickenden Frau des Colonels zu der Kammertür, hinter der Jenna Montague die Habseligkeiten ihres Vaters zusammenpackte. Wie schwierig es für sie sein musste, zu einer Entscheidung gezwungen zu sein, die ihr ganzes Leben verändern würde, obwohl sie noch nicht einmal über den ersten Schock nach dem Tod ihres Vaters hinweg war.
Aber es ging nicht anders. Mrs Anderson, die Jenna zu Hilfe gekommen war, wollte so schnell wie möglich nach Lissabon aufbrechen. Entweder trat Jenna in deren Begleitung ihre Heimreise an, oder sie wollte wahrhaftig bei der Armee bleiben und akzeptierte den Heiratsantrag eines der Offiziere ihres Vaters.
Obwohl er sie in dieser Situation nicht drängen wollte, sollte er Jenna vielleicht doch überreden, das Dilemma zu lösen, indem sie ihn selbst zum Ehemann nahm. Seit seinem ersten Tag im Regiment fühlten sie sich schon zueinander hingezogen, und im Verlaufe der Monate hatte sich diese anfängliche Anziehung noch verstärkt. Er konnte ihr zwar nicht sein ganzes Herz schenken, denn das war durch Lucindas Verrat so verletzt, dass es nicht zu heilen war, aber er konnte ihr Respekt und Zuneigung bieten.
In seinem ersten Zorn hatte er damals geschworen, dass er niemals heiraten würde, indes dachte er in der letzten Zeit darüber nach, dass er doch nicht sein restliches Leben allein verbringen wollte. Und sollte er sich zu einer Heirat entschließen, würde es auf dem Heiratsmarkt in London unter den vielen hoffnungsvollen Debütantinnen keine einzige Dame geben, die so intelligent, einfallsreich und mutig war wie Jenna.
Wenn er wirklich ehrlich mit sich selbst war, gab es jedoch noch einen anderen Grund als ihre vortrefflichen Eigenschaften,
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