Historical Saison Band 18 (German Edition)
liebte, zu verzichten. Ich kann nur hoffen, dass ich es ihr gleichtun kann. Allerdings benötige ich Zeit, um in Ruhe nachzudenken. Das schaffe ich nicht, wenn ich ihm Auge in Auge gegenüberstehe. Ihm würde es nur zu leicht gelingen, meinen Entschluss ins Wanken zu bringen.“
15. KAPITEL
E s war bereits dunkel, als Fincham zu Fuß vor einem der elegantesten Stadthäuser Londons ankam, das wie sein eigenes in einem der feinsten Viertel lag. In den vergangenen Jahren hatte er dort aus zahlreichen Anlässen verkehrt. Er kannte Lord Chard seit vielen Jahren, schon lange, bevor er durch den tragischen Tod seines Bruders zum Erben des Titels geworden war. Und obgleich er den Baron nie als einen besonders engen Freund betrachtet hatte, bereitete es ihm keine Genugtuung, das zu tun, wozu er sich jetzt gezwungen sah.
Der Viscount achtete nicht auf die beiden Männer, die auf der gegenüberliegenden Straßenseite warteten und das Haus beobachteten, während er die Eingangstreppe hochging. Kurz nachdem ihm geöffnet wurden war, wurde er in die eindrucksvolle Bibliothek geführt. Lord Chard erhob sich ruckartig von seinem Stuhl, in dem er eben noch vor einem kostbaren Schreibtisch aus Mahagoni gesessen hatte. Er gab sich überrascht, wirkte jedoch ausgesprochen vorsichtig.
„Als mein Butler mich davon in Kenntnis setzte, dass Sie hier wären, habe ich erst gedacht, der Kerl hat sich einen Brandy genehmigt!“ Die scherzhafte Begrüßung passte nicht zu der sonst eher mürrischen Art des Barons, und etwas in Lord Finchams Miene schien zu verraten, dass er sich nicht von der gespielten Jovialität täuschen ließ. „Verzeihen Sie, wenn ich mich irre, aber hatten Sie nicht vor, die Stadt zu verlassen?“
„Wie Sie nur zu gut wissen, habe ich diese Absicht bekundet“, entgegnete der Viscount. „Lassen Sie uns nicht lange um den heißen Brei herumreden, Chard. Sie stecken hinter einer Reihe von Juwelendiebstählen, die in den letzten Monaten und Jahren stattgefunden haben. Ich weiß, dass Sie die Bande losgeschickt haben, die mich heute Morgen ausrauben wollte. Wie Sie sich jetzt selbst überzeugen können, ist der Überfall gescheitert. Die Schurken, die überlebt haben, befinden sich in Haft, ebenso wie Ihre Mitverschwörer.“
Lord Fincham hob eine Hand, um Chard am Leugnen zu hindern. „Es wird Ihnen nichts nützen, den Unschuldigen zu spielen. Ihr ehemaliger Verwalter, Ivor Hencham, befindet sich bereits in den Händen der Staatsgewalt. Wie lange, meinen Sie, wird es dauern, bis er ein Geständnis ablegt? Zweifellos wird er alles verraten, und sei es nur, um seinen eigenen Kopf zu retten. Ich bin hier, um Ihnen eine solche Demütigung zu ersparen. Sie sollten die Gelegenheit nutzen, die Sie eigentlich nicht verdienen, wenn man bedenkt, dass Sie den Tod eines unschuldigen Menschen, eines ebenbürtigen Mannes von Stand noch dazu, zu verantworten haben. Und das alles nur, um den eigenen luxuriösen Lebensstil nicht einschränken zu müssen. Nein, ich fürchte, es gibt für Sie kein Entkommen“, fuhr er fort, als Chard zum Fenster ging. „Wie Sie sehen, warten auf der anderen Straßenseite zwei Konstabler aus der Bow Street, und weitere Männer bewachen die Rückseite Ihres Hauses. Sie folgen Ihnen auf Schritt und Tritt, seit ich mich mit einer bekannten Persönlichkeit getroffen habe, die allgemein mit der Aufrechterhaltung von Recht und Ordnung in Verbindung gebracht wird.“
Sein tiefes Aufseufzen brachte das aufrichtige Bedauern des Viscounts zum Ausdruck. „Aus Achtung vor denjenigen, die in enger Beziehung zu Ihnen stehen und an den Verbrechen keine Schuld tragen, wurde mir gestattet, Sie aufzusuchen, bevor Sie in Gewahrsam genommen werden. Ich glaube, dass Sie Ihren Angehörigen die Erniedrigungen, die ein langer und in aller Öffentlichkeit geführter Prozess mit sich bringt, ersparen sollten. Jede Einzelheit Ihres Lebens und Ihrer Ehe würde dabei zutage kommen. Es ist doch gewiss besser, wenn Sie Ihre Familie nicht dieser Tortur aussetzen, oder sind Sie anderer Meinung?“
„Ich könnte Sie fragen, weshalb Sie in die Sache hineingezogen wurden, aber ich denke, ich kenne die Antwort bereits. Es hat mit Ihrer Verlobten, Miss Grey, zu tun“, brach Lord Chard schließlich sein Schweigen. „Jemand hat einmal erwähnt, dass Sie Grenville sehr nahestand.“
„Ja, er war wie ein Vater für sie“, bestätigte der Viscount leise. „Und was ihr Kummer bereitet, beschäftigt auch mich in besonderem
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